Neues aus Kuba
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Zum 97. Geburtstag von Ernesto „Che“ Guevara würdigten Venezuela und das linke Staatenbündnis ALBA den Revolutionär als Symbol des Widerstands und der Gerechtigkeit. Als marxistischer Vordenker prägte er Kubas Wirtschaft und Repressionspolitik maßgeblich – mit weitreichenden Folgen.
Zum 97. Geburtstag von Ernesto „Che“ Guevara haben politische Akteure aus Lateinamerika am Samstag (14.) an das Erbe des argentinisch-kubanischen Revolutionärs erinnert. Sowohl der venezolanische Präsident Nicolás Maduro als auch die bolivarische Allianz ALBA würdigten Guevaras Rolle für die kubanische Revolution und sein Vermächtnis als Symbol des Widerstands. Während in offiziellen Stellungnahmen sein Engagement für Gerechtigkeit hervorgehoben wird, bleibt sein Wirken in der Nachbetrachtung nicht frei von Kontroversen. Guevaras politische Laufbahn in Kuba war geprägt von kompromissloser Ideologie, wirtschaftspolitischen Fehleinschätzungen – und einer aktiven Rolle in der Repressionspraxis des neuen Staates.
Lobeshymnen aus Caracas Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro erinnerte am Samstag über seinen Telegram-Kanal an den „guerrillero heroico“. Guevara sei ein Symbol für Mut, Solidarität und Menschlichkeit, erklärte der Präsident, dessen Regierung sich ideologisch in der Tradition der kubanischen Revolution sieht. In seinem Beitrag rief Maduro dazu auf, Guevaras „Ethik der Arbeit“ und seine Prinzipien der Gerechtigkeit und Gleichheit als Vorbild zu nehmen. Venezuela werde dessen Kampf für eine gerechtere Welt fortführen. Auch die Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América (ALBA), der neben Kuba und Venezuela weitere linke Regierungen wie Bolivien, Nicaragua und Honduras angehören, erklärte Guevara zum „ikonischen Symbol der kubanischen Revolution“ und zum „universellen Zeichen des Widerstands gegen Unterdrückung“. In einer offiziellen Stellungnahme würdigte das Bündnis Guevaras „tiefe Empathie für die Unterdrückten“ und betonte seine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Batista-Regime. Revolutionär und Regierungsfunktionär Nach dem Sieg über das Batista-Regime übernahm Guevara zentrale Funktionen in der neuen Regierung. Ab Ende 1959 war er Präsident der Nationalbank Kubas sowie später Industrieminister. In diesen Funktionen verfolgte er eine radikal sozialistische Wirtschaftspolitik, die stark an der sowjetischen Planwirtschaft orientiert war. Guevara war jedoch nicht nur Verwaltungsakteur, sondern auch ideologischer Architekt eines radikalen Staatsumbaus. Im Gegensatz zu Fidel Castro, der in vielerlei Hinsicht pragmatisch agierte, verfolgte Guevara eine dogmatisch-marxistische Linie. Er sympathisierte mit dem Stalinismus, mit der maoistischen Volksrepublik China und insbesondere mit dem nordkoreanischen Modell unter Kim Il-sung, das er nach einem Besuch 1965 sogar öffentlich als Vorbild für Kuba bezeichnete. Ökonomisches Scheitern und ideologischer Rigorismus In seiner Amtszeit als Industrieminister forcierte Guevara eine zentralistisch gesteuerte Planwirtschaft. Dabei lehnte er leistungsbezogene Löhne, marktwirtschaftliche Elemente oder Anreize für private Initiativen grundsätzlich ab und setzte auf „moralische Mobilisierung“ und predigte das Ideal des „neuen Menschen“. Diese Haltung führte jedoch in der Praxis zu massiven wirtschaftlichen Einbrüchen, insbesondere in der Landwirtschaft und der Industrieproduktion. Experten aus sozialistischen Bruderstaaten kritisierten eine unzureichende wirtschaftliche Kompetenz und mangelndes Management. Dennoch genoss Guevara in revolutionären Kreisen hohes Ansehen – nicht zuletzt wegen seiner persönlichen Bescheidenheit und Einsatzbereitschaft. Er nahm regelmäßig an freiwilligen Arbeitseinsätzen teil und verzichtete auf Privilegien. In seinen Reden und Schriften, darunter der programmatische Text „Der Sozialismus und der Mensch in Kuba“ von 1965, propagierte er die Vision eines „neuen Menschen“, der aus ideeller Überzeugung für das Gemeinwohl arbeitet. Repressionsapparat und ideologische Säuberung Weniger bekannt – oder bewusst ausgeklammert – bleiben bei den offiziellen Würdigungen Guevaras Rolle in der Frühphase der Repression nach der Revolution. Als Kommandant der Garnison La Cabaña in Havanna hatte Guevara unmittelbar nach 1959 die Oberaufsicht über sogenannte revolutionäre Tribunale gegen mutmaßliche Unterstützer des Batista-Regimes. Zahlreiche Todesurteile wurden unter seiner Verantwortung gefällt und vollstreckt. Zudem war er mitverantwortlich für die Errichtung von Arbeits- und Umerziehungslagern, in denen politische Gegner, Dissidenten – darunter auch Homosexuelle – interniert wurden. Mythos und Realität Guevaras Versuch, das revolutionäre Modell über Kuba hinaus zu exportieren, endete tragisch. 1966 reiste er nach Bolivien, um dort eine neue Guerilla zu organisieren. Im Oktober 1967 wurde er von der bolivianischen Armee gefasst und tags darauf hingerichtet. Seine sterblichen Überreste wurden 1997 von einem internationalen Expertenteam exhumiert und nach Kuba überführt. Sie befinden sich seither in einem Mausoleum in Santa Clara – unter einer Statue, die ihn mit Gewehr, Uniform und zerzaustem Bart zeigt. Guevaras Bild ziert weltweit T-Shirts, Wandbilder und Plakate. In vielen linken Bewegungen bleibt er eine Symbolfigur des Widerstands gegen Imperialismus und soziale Ungleichheit. Zugleich ist seine historische Bilanz ambivalent. Während ihn Anhänger als Märtyrer für eine gerechte Sache verehren, werfen Kritiker ihm ideologische Verblendung, wirtschaftspolitisches Versagen und politische Härte vor. Die aktuellen Gedenkbekundungen aus Venezuela und dem ALBA-Bündnis folgen einem klaren Narrativ: Guevara als moralischer Leuchtturm, als Verkörperung der Revolution, als ewige Ikone. Doch gerade mit Blick auf Kuba selbst lohnt sich eine differenziertere Betrachtung – zwischen Ideal und Realität, zwischen Held und Verantwortungsträger in einem autoritären System.
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Text: Leon Latozke
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