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Am 22. April 2000 sorgte ein spektakulärer Polizeieinsatz in Miami international für Schlagzeilen: Über 250 Beamte stürmten kurz vor Sonnenaufgang das Haus von Verwandten des sechsjährigen Elián González, um seine Rückführung nach Kuba durchzusetzen. Der Fall des kubanischen Jungen, der Monate zuvor eine Flucht überlebt hatte, entwickelte sich zum Symbol politischer Instrumentalisierung.
Das von Alan Díaz aufgenommene Foto, das um die Welt gegangen ist. (Bildquelle: CNN © Alan Diaz)
Am 22. April 2000, um 5:15 Uhr morgens, durchbrachen über 250 US-Bundesbeamte die nächtliche Stille von Little Havana, einem überwiegend kubanisch geprägten Viertel in Miami. Ziel der Polizeiaktion war das Haus der Verwandten des damals sechsjährigen Elián González. Der Junge war Monate zuvor als Überlebender einer gescheiterten Flucht aus Kuba an der Küste Floridas angespült worden – nun stand seine Rückführung nach Kuba bevor. Der Einsatz markierte den dramatischen Höhepunkt eines erbitterten politischen und medialen Schlagabtauschs, der weit über familiäre Belange hinausging.
Die Geschichte beginnt im November 1999. Elián González hatte gemeinsam mit seiner Mutter und zwölf weiteren Personen versucht, Kuba in einem kleinen Boot in Richtung USA zu verlassen. Das Boot kenterte, zehn Menschen ertranken – darunter auch Eliáns Mutter. Der Junge überlebte und wurde von Fischern vor der Küste Floridas geborgen. In Miami nahmen ihn Verwandte auf, die ihn in den Vereinigten Staaten behalten wollten. Bald wurde der Fall zu einem Symbol für die politischen Fronten zwischen Exilkubanern, der US-Regierung und dem kubanischen Staat. In den Wochen nach seiner Rettung entbrannte ein erbitterter Streit um das Sorgerecht. Der Vater des Jungen, Juan Miguel González, verlangte die Rückgabe seines Sohnes nach Kuba. Die kubanische Regierung unterstützte seine Forderung, während Exilkubaner in Miami lautstark protestierten und die Rückführung verhindern wollten. Die US-Behörden, vertreten durch Justizministerin Janet Reno, entschieden schließlich, dass Elián bei seinem Vater auf Kuba leben solle. Am Morgen des 22. April setzte die US-Regierung diese Entscheidung mit Nachdruck um. Mehr als 250 Beamte – darunter Spezialeinheiten der Einwanderungs- und Zollbehörde – umstellten kurz vor Sonnenaufgang das Haus der Familie González in Little Havana. Der Einsatz war minutiös vorbereitet: Zugangstraßen wurden abgeriegelt, Hubschrauber kreisten über dem Viertel. Dann stürmten bewaffnete Bundesbeamte das Haus. Ein Foto des Einsatzes ging um die Welt: Ein schwer bewaffneter Beamter in Kampfmontur zielt mit halbautomatischer Waffe auf den verängstigten Elián, der sich in den Armen eines Angehörigen versteckt. Die Aufnahme, die später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, wurde zum Sinnbild eines überdimensionierten staatlichen Eingriffs und zugleich zum Symbol der ideologischen Konfrontation zwischen Washington und Havanna. Wenige Stunden nach dem Einsatz wurde Elián mit seinem Vater zusammengeführt. Gemeinsam reisten sie am 28. Juni 2000 nach Kuba zurück. Dort wurde der Junge von der kubanischen Regierung öffentlich als „geretteter Sohn der Nation“ gefeiert. Fidel Castro persönlich nahm an Geburtstagsfeiern teil, und Eliáns Schicksal wurde in die propagandistische Mobilisierungskampagne „Schlacht der Ideen“ eingebunden. González wuchs unter staatlicher Obhut auf, erhielt eine technikorientierte Ausbildung und trat früh in kommunistische Jugendorganisationen ein. Seine Biografie wurde eng mit der politischen Agenda Havannas verwoben. Im März 2023 wurde er zum Abgeordneten der kubanischen Nationalversammlung gewählt und vertritt seither seine Heimatstadt Cárdenas. Heute äußert sich Elián González staatsnah: Die Verantwortung für die wirtschaftliche Misere seines Landes sieht er primär beim US-Embargo. Die Proteste von 2021 kommentierte er mit dem Hinweis, dass „Protest erlaubt sei“, es jedoch wichtiger sei, „zuerst die wahren Ursachen der Krise zu analysieren“. Damit bleibt er auf Regierungslinie – ein Funktionär, der aus einer global beachteten Kindheit hervorgegangen ist. Der Polizeieinsatz vom 22. April 2000 bleibt eines der eindrücklichsten Beispiele für die politische Instrumentalisierung eines Kindes im Kontext internationaler Spannungen. Die damalige Entscheidung der US-Regierung war rechtlich gestützt, jedoch hochumstritten. Der martialische Charakter der Aktion ließ Kritiker von einer „militärischen Lösung eines familiären Problems“ sprechen. Gleichzeitig offenbarte der Fall die Macht politischer Bilder. Die mediale Inszenierung auf beiden Seiten – in Kuba wie in den USA – verwandelte ein Familiendrama in ein internationales Kräftemessen. Während Exilkubaner in Elián ein Symbol des Freiheitswillens sahen, stilisierte ihn das Regime in Havanna zum Beweis der moralischen Überlegenheit des sozialistischen Systems. Auch 25 Jahre später ist Elián González eine Projektionsfläche – sowohl für Hoffnung als auch für Enttäuschung. Für viele Exilkubaner bleibt er das Kind, das gegen seinen Willen nach Kuba zurückgebracht wurde. In Kuba hingegen ist er ein Vorzeigepolitiker mit einer Biografie, die exakt dem staatlich erwünschten Narrativ entspricht.
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Text: Leon Latozke
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