Neues aus Kuba
Aktuelle Nachrichten und Meldungen, Analysen und Hintergrundinformationen
![]() ![]() ![]()
Inmitten der tiefgreifenden Wirtschaftskrise auf Kuba erlebt ein einfaches, traditionelles Nahrungsmittel eine bemerkenswerte Wiederbelebung. Das aus Maniok hergestellte Fladenbrot Casabe, einst Grundnahrungsmittel der indigenen Bevölkerung, rückt in den Fokus einer Gesellschaft, die unter massiven Versorgungsengpässen leidet.
(Bildquelle: Cubanet © N. a.)
Die wirtschaftliche Lage auf Kuba ist prekär. Mangelwirtschaft, inflationsbedingte Preissteigerungen und Versorgungsengpässe prägen den Alltag. Besonders Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker oder Speiseöl sind vielerorts nur noch schwer oder zu überhöhten Preisen erhältlich. Die Ursachen sind vielfältig: langjährige strukturelle Schwächen, die anhaltende US-Blockade, pandemiebedingte Einbrüche im Tourismus sowie eine ineffiziente staatliche Verteilungspolitik.
In dieser Situation erlebt das Casabe-Brot ein Comeback. Das aus der Maniokwurzel – auf Kuba Yuca genannt – hergestellte Fladenbrot gilt als einfach herstellbar, glutenfrei und nährstoffreich. Historisch betrachtet ist es eines der ältesten Nahrungsmittel der Region. Schon die Taino, die indigenen Ureinwohner Kubas und anderer Karibikinseln, bereiteten es vor über tausend Jahren auf heißen Steinen zu. In ländlichen Gegenden war Casabe nie ganz verschwunden, in den Städten hingegen galt es lange als Relikt vergangener Zeiten. Die aktuelle Wirtschaftslage zwingt viele Kubanerinnen und Kubaner zur Rückbesinnung. Der Verzicht auf importierte Produkte wie Weizen führt zu einer zunehmenden Nutzung lokal verfügbarer Alternativen. Maniok wächst in verschiedenen Regionen der Insel und benötigt wenig Pflege. Das macht die Wurzel unter den gegebenen Umständen besonders attraktiv. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das Restaurant Yucasabi im historischen Zentrum Havannas. Gegründet von Yudisley Cruz, hat sich das Lokal auf Maniokprodukte spezialisiert. Für 15 Pesos wird dort ein einzelnes Casabe verkauft – belegt mit Zutaten wie Tomaten, Zwiebeln oder Schweinefleisch. Das Angebot richtet sich sowohl an Einheimische als auch an Touristen. „In Zeiten einer Nahrungsmittelkrise wie der aktuellen glauben wir, dass Maniokbrot helfen kann“, sagt Cruz gegenüber der Nachrichtenagentur REUTERS. Ihr Ziel sei es, das einfache Fladenbrot nicht nur zu erhalten, sondern ihm auch eine neue, städtische Wertigkeit zu verleihen. Dabei setzt Yucasabi auf eine moderne Inszenierung. Die Werbung hebt Eigenschaften wie „vegan“, „glutenfrei“ und „100 Prozent handgefertigt“ hervor – Attribute, die auch außerhalb Kubas Anklang finden dürften. Im Inneren des Lokals erinnern Wandgemälde an die Taino-Vergangenheit des Brots, was dem Produkt eine symbolische Tiefe verleiht. Das Restaurant ist bislang das einzige seiner Art auf Kuba, doch Cruz hofft auf Nachahmer. Während das Brot in der Hauptstadt als trendiges Produkt neu entdeckt wird, ist es in ländlichen Regionen vor allem eines: lebensnotwendig. Dort verkaufen Händler das Casabe zu Fuß, mit dem Fahrrad oder per Moto-Taxi. Die Preise sind oft noch niedriger als in der Stadt. In einer von Inflation geplagten Wirtschaft gilt das Brot als seltene Konstante – verfügbar, sättigend und bezahlbar. Zu den traditionellen Produzenten gehört Julio César Núñez, wohnhaft außerhalb Havannas. Er überwacht jede Phase der Herstellung: vom Schälen über das Trocknen bis zum Mahlen der Maniokwurzel. Anschließend wird der Brei zu flachen Scheiben geformt und auf Metallplatten über offenem Feuer gebacken. „Jeder, der es lernen will, kann es tun“, zitiert REUTERS den 82-Jährigen. Die Technik ist einfach, erfordert aber Geduld und Erfahrung. Die Rückkehr des Casabe fällt mit einem internationalen Ereignis zusammen. Im vergangenen Jahr wurde das Brot von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Ausschlaggebend für die Aufnahme waren seine lange Geschichte, seine kulturelle Bedeutung sowie die simple Herstellung. Für Kuba bedeutet die Auszeichnung nicht nur symbolisches Kapital, sondern auch die Möglichkeit, sich international als Bewahrer einer indigen geprägten Esskultur zu präsentieren – in einem Moment, in dem das Land wirtschaftlich kaum andere Erfolgsgeschichten zu erzählen hat. Dennoch bleibt der aktuelle Boom nicht frei von Ambivalenzen. Die Wiederentdeckung eines jahrhundertealten Nahrungsmittels mag einerseits als Zeichen kultureller Resilienz erscheinen. Andererseits wirft sie ein grelles Licht auf die strukturellen Defizite des Landes. Dass ein Fladen aus Maniok plötzlich zur kulinarischen Lösung einer landesweiten Krise avanciert, ist auch Ausdruck des Mangels an Alternativen. Kubas Regierung unterstützt die Initiative bislang kaum sichtbar. Zwar wird die lokale Landwirtschaft gefördert, doch konkrete Programme zur breiteren Verfügbarkeit oder systematischen Vermarktung des Casabe sind bislang nicht bekannt. Vieles bleibt dem individuellen Engagement kleiner Betriebe wie Yucasabi überlassen. Inmitten einer sich weiter verschärfenden Versorgungskrise ist das Casabe also mehr als nur ein Brot. Es steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, die mit den Mitteln der Vergangenheit auf die Herausforderungen der Gegenwart reagiert – notgedrungen pragmatisch, aber auch mit einem gewissen kulturellen Selbstbewusstsein. Ob die Rückkehr des Casabe eine dauerhafte Lösung bietet oder lediglich ein Symbol der Improvisation bleibt, wird sich zeigen. Vorerst jedoch ist das Brot wieder Teil des kubanischen Alltags – einfach, altbewährt, überlebenswichtig.
Quelle: REUTERS (https://t1p.de/9xq55)
Anzeige (G2)
|
|
Letzte Meldungen
Text: Leon Latozke
Anzeige (G1)
(adsbygoogle = window.adsbygoogle || []).push({});
0 Kommentare
Ihr Kommentar wird veröffentlicht, sobald er genehmigt ist.
Antwort hinterlassen |
Dossiers
Mediathek
Anzeige (M2) Anzeige (G4) Archiv
nach Monaten
Mai 2025
|
Anzeige (G3) |