Neues aus Kuba
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In Kuba spitzt sich die soziale Krise weiter zu: Immer mehr Menschen sind gezwungen, in Müllcontainern nach Essen zu suchen, während Renten und Löhne kaum die Grundbedürfnisse decken. Die Regierung verharmlost das Problem der Obdachlosigkeit und Armut mit Begriffen wie „verwundbare Personen“.
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Die Realität vieler Kubaner im Sommer 2025 lässt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen: „Viviendo con lo que se puede“ – „Leben mit dem, was geht“. Mit dieser resignativen Formel beschreibt die spanische Nachrichtenagentur EFE das tägliche Überleben einer wachsenden Zahl von Menschen in Kuba, die durch Armut, Hunger und Obdachlosigkeit an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Der Bericht bringt Einzelschicksale ans Licht, die ein gesamtgesellschaftliches Systemversagen dokumentieren – und das in einem Staat, der jahrzehntelang vorgab, soziale Gerechtigkeit zum Fundament seiner Ideologie zu machen.
Die Gesichter der Armut: Müllsammler und Verdrängte Im Zentrum Havannas, in einem überfüllten Müllcontainer an einem belebten Boulevard, sucht der Rentner José Fernández nach etwas Essbarem. Mit 1.674 kubanischen Pesos monatlich – umgerechnet 13 US-Dollar – liegt seine Pension deutlich unter dem Existenzminimum. Allein ein Karton mit 30 Eiern kostet fast das Doppelte. „Hier bin ich… und lebe mit dem was geht", sagt er zu EFE, während er Essensreste in einer Plastiktüte verstaut – für später. Auch José Luis Balsinder, 56 Jahre alt, früher Wachmann, ist mittlerweile gezwungen, in Havannas Mülltonnen nach Lebensmitteln zu suchen. Er pendelt regelmäßig fast 50 Kilometer aus seinem Wohnort Guanajay in der Provinz Artemisa in die Hauptstadt. „Wenn es hier nichts gibt, stell dir vor, wie es bei uns aussieht“, klagt er. Mit einem Gehalt von 2.500 Pesos (20 US-Dollar) konnte er die Grundbedürfnisse seiner Familie nicht decken. Heute ist sein Alltag geprägt von Hoffnung auf Spenden und dem Fund verwertbarer Abfälle. Diese Einzelschicksale sind symptomatisch für ein Land, das sich seit mindestens fünf Jahren in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Versorgungskrise befindet. Die Kaufkraft der Bevölkerung ist dramatisch gesunken, während Inflation, Devisenmangel und staatliche Rationierung das Leben bestimmen. Verharmlosung auf höchster Ebene: Eine Ministerin in der Kritik Für politische Empörung sorgten kürzlich Äußerungen der damaligen Arbeits- und Sozialministerin Marta Elena Feitó. In einer Parlamentsrede bestritt sie die Existenz von Obdachlosigkeit auf Kuba. Stattdessen sprach sie von „verkleideten“ Personen, die „einen einfachen Lebensstil“ vorgäben, um Steuerzahlungen zu umgehen. Nicht wenig Abgeordneten - allesamt Mitglieder der Kommunistischen Partei (PCC, der einzigen legalen Partei auf der Insel) oder Mitglieder regierungsnaher Organisationen - quittierten die Rede mit Applaus. Einen Tag später widersprach Präsident Miguel Díaz-Canel öffentlich den Aussagen seiner Ministerin. Ihre Darstellung, so Díaz-Canel, verkenne die Realität und schade der Revolution. Kurz darauf trat Feitó von ihrem Amt zurück – ein seltener Vorgang in der kubanischen Politik und ein Zeichen dafür, dass das Thema nicht länger unter den Teppich gekehrt werden kann. Begriffe als politisches Werkzeug Im offiziellen Sprachgebrauch der kubanischen Regierung ist von „Personen mit Wanderverhalten“ oder „verwundbaren Menschen“ die Rede – ein semantischer Schleier, der die tatsächlichen Verhältnisse verschleiert. Laut offiziellen Daten wurden zwischen 2014 und September 2023 lediglich 3.690 solcher Fälle registriert – eine Zahl, die angesichts der zunehmenden Sichtbarkeit von Armut in den Städten Kubas als deutlich zu niedrig erscheint. Premierminister Manuel Marrero sprach in der gleichen Parlamentssitzung davon, dass derzeit über 310.000 Menschen – etwa 3 Prozent der Bevölkerung – in „sozialer Verwundbarkeit“ lebten. Gleichzeitig kündigte er an, die Mindestrente ab September 2025 auf 3.056 Pesos (25,40 USD) zu verdoppeln. Das Problem: Diese Summe entspricht gerade dem aktuellen Preis eines Eierkartons. Für viele Betroffene ändert sich an ihrer prekären Lage nichts. Der durchschnittliche staatliche Monatslohn in Kuba beträgt derzeit rund 5.839 Pesos – knapp 49 US-Dollar. Damit lassen sich die grundlegenden Lebenshaltungskosten kaum decken. Der Ökonom Omar Everleny bezifferte gegenüber EFE die monatliche Lebensmittelgrundversorgung für ein Zwei-Personen-Haushalt kürzlich auf 24.351 Pesos (202 USD). Darin nicht enthalten: Transport, Internet, Kleidung, Hygiene. „Armut ist systemisch“ Die kubanische Wirtschaftswissenschaftlerin Tamarys Bahamonde geht in ihrer Analyse noch weiter. In ihrer Kritik an der offiziellen Rhetorik warnt sie vor den politischen Folgen der Verdrängung. „Wenn der Staat nicht von Armut spricht, existiert sie im politischen Diskurs nicht – und was nicht existiert, wird auch nicht bekämpft“, sagte sie zu EFE. Bahamonde kritisiert insbesondere den Begriff „Wanderverhalten“, da dieser die Schuld für Armut beim Individuum suche. Wer diesen Begriff verwende, impliziere, dass Betroffene freiwillig auf der Straße lebten. Die strukturellen Ursachen – etwa mangelhafte Sozialpolitik, unzureichende Einkommen oder fehlende wirtschaftliche Dynamik – würden dabei ausgeblendet. „Die Armut in Kuba ist systemisch“, so Bahamonde, „weil das System nicht die notwendigen Voraussetzungen schafft, um Menschen aus der Armut zu befreien.“ Die Distanzierung von Präsident Díaz-Canel gegenüber seiner Ministerin könnte als Signal für eine politisch gewollte Neubewertung der sozialen Realität auf Kuba gedeutet werden. Doch bislang bleibt es bei Ankündigungen. Weder die Erhöhung der Mindestpension noch das Bekenntnis zur Sichtbarmachung sozialer Probleme reichen aus, um das strukturelle Problem zu lösen.ktiven Blick kämpft.
Quelle: EFE (https://t1p.de/8ehi9)
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Text: Leon Latozke
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