Neues aus Kuba
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Trotz weitreichender US-Sanktionen erhält Kuba nach offiziellen Angaben weiterhin Erdöl aus Venezuela – über eine nicht näher erläuterte „Formel“, die beide Länder vor Strafmaßnahmen schützen soll. Derweil verschärft sich die Energiekrise auf der Insel weiter: Stromausfälle von bis zu 20 Stunden täglich belasten weite Teile der Bevölkerung.
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Kuba erhält nach offiziellen Angaben weiterhin Erdöl und Treibstoffprodukte aus Venezuela – offenbar mithilfe eines nicht näher benannten Mechanismus zur Umgehung der US-Sanktionen. Präsident Miguel Díaz-Canel sprach in seinem offiziellen Podcast Desde la Presidencia von einer „Formel“, die es ermögliche, den gegen beide Länder verhängten Maßnahmen aus Washington zu entgehen. Einzelheiten nannte er nicht – mit dem Hinweis, man wolle nicht riskieren, dass diese Praxis unterbunden werde.
In der aktuellen Folge des Podcasts, die sich mit der anhaltenden Energiekrise und den täglichen Stromabschaltungen auf der Insel befasste, äußerte sich auch Energieminister Vicente de la O Levy zur Herkunft der weiterhin begrenzten Ölzufuhr. Venezuela sei trotz rückläufiger Liefermengen nach wie vor Kubas Hauptlieferant. Die Rückgänge seien direkte Folge der verschärften US-Sanktionen gegen das südamerikanische Land, so der Minister. Dass die Lieferungen dennoch weiterliefen, sei einer gemeinsamen Lösung beider Regierungen zu verdanken. „Wir gehen Schritt für Schritt voran und finden Lösungen“, sagte De la O. Präsident Díaz-Canel ergänzte, dass diese „Formel“ nicht öffentlich gemacht werde, „damit man sie uns nicht verfolgt“. Mit Blick auf die Auswirkungen der Sanktionen sprach er von einer gezielten „finanziellen und energetischen Verfolgung“ durch die Vereinigten Staaten. Tatsächlich ist der Energiesektor einer der am stärksten betroffenen Bereiche der kubanischen Wirtschaft. Nach Regierungsangaben kommt es immer wieder zu Problemen bei der Abwicklung internationaler Finanztransaktionen. Zahlungen für Ölimporte blieben gelegentlich aus oder würden von Banken blockiert, sagte De la O. Díaz-Canel bezeichnete dies als Ausdruck der „Perversität einer Blockade, von der manche glauben, sie existiere nicht“. Die Energiekrise in Kuba hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Seit August 2024 ist das Land von weitreichenden Stromausfällen betroffen, die in einigen Regionen bis zu 20 Stunden täglich andauern. In den letzten sieben Monaten kam es zu vier landesweiten Blackouts, deren Behebung jeweils mehrere Tage in Anspruch nahm. Ursachen sind zum einen der fortschreitende Verfall des veralteten Kraftwerksparks, der überwiegend aus überalterten thermischen Anlagen besteht. Diese sind seit Jahrzehnten in Betrieb, weisen gravierende technische Mängel auf und leiden unter einem chronischen Mangel an Wartung und Investitionen. Zum anderen fehlt es dem Staat an Devisen, um Treibstoffe und Ersatzteile im Ausland zu beschaffen. Die wirtschaftliche Gesamtlage des Landes, geprägt durch stagnierende Exporte, schwache Produktivität und sinkende Tourismuseinnahmen, verschärft die Situation zusätzlich. Unabhängige Beobachter weisen seit Jahren auf die strukturelle Unterfinanzierung des Energiesektors hin. Seit der Revolution 1959 befindet sich dieser vollständig in staatlicher Hand. Das staatliche Monopol hat laut Experten eine Modernisierung verhindert und notwendige Reformen blockiert. Der Regierung gelingt es bislang nicht, private Investitionen in größerem Umfang zuzulassen oder alternative Finanzierungswege zu erschließen. Havanna hingegen macht in erster Linie die US-Sanktionen für die Krise verantwortlich. Diese wurden im Laufe der Jahrzehnte mehrfach verschärft und betreffen heute nahezu alle Wirtschaftsbereiche. Besonders betroffen ist der Energiesektor: Technologietransfers, Finanzierungsmodelle und sogar Transportversicherungen werden durch sekundäre Sanktionen weitgehend unterbunden. Selbst Unternehmen aus Drittstaaten sehen sich möglichen Repressalien ausgesetzt, wenn sie mit Kuba Geschäfte machen. Die engen bilateralen Beziehungen zwischen Havanna und Caracas spielen vor diesem Hintergrund eine zentrale Rolle. Bereits unter Hugo Chávez hatte sich Venezuela verpflichtet, Kuba im Austausch für medizinisches Personal mit vergünstigtem Erdöl zu beliefern. Auch unter Nicolás Maduro bleibt das Land ein wichtiger Partner. Allerdings ist auch Venezuela selbst in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Die eigene Förderleistung liegt seit Jahren deutlich unter dem früheren Niveau, was die Tragfähigkeit der gegenseitigen Abhängigkeit zunehmend infrage stellt. Die jetzt öffentlich gewordene Andeutung einer geheimen Lieferformel wirft daher neue Fragen auf. Unklar bleibt, in welchem Umfang die Öllieferungen tatsächlich erfolgen und ob sie ausreichen, um den minimalen Energiebedarf des Landes langfristig zu decken. Zudem stellt sich die Frage nach der rechtlichen Grauzone, in der sich solche Transaktionen bewegen – und welche Akteure daran beteiligt sind. Die kubanische Regierung schweigt dazu bislang. Die Bevölkerung spürt die Auswirkungen der Energiekrise unmittelbar. Neben den Stromabschaltungen beeinträchtigen Treibstoffmangel, Produktionsausfälle und Verkehrsprobleme den Alltag. Die Stimmung in der Bevölkerung ist angespannt. Lokale Proteste und vereinzelte Demonstrationen wurden in den vergangenen Monaten beobachtet, auch wenn das staatliche Informationsmonopol Berichte darüber weitgehend unterbindet. Für die Führung in Havanna stellt sich die Energiekrise zunehmend als politisches Risiko dar. Zwar betont sie die Notwendigkeit nationaler Geschlossenheit und verweist auf äußere Feinde, doch dürfte diese Argumentation mit fortschreitender Dauer der Krise an Überzeugungskraft verlieren. Die improvisierte Versorgungslösung mit venezolanischem Öl ist allenfalls ein kurzfristiges Notprogramm. Eine nachhaltige Stabilisierung des Energiesektors ist unter den derzeitigen Bedingungen kaum in Sicht.
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Text: Leon Latozke
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