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In Kuba läuft derzeit eine landesweite Konsultation über ein neues Arbeitsgesetz, das im Sommer 2026 verabschiedet werden soll. Der Entwurf sieht moderne Elemente wie digitale Ruhezeiten, Telearbeit und mehr Familienrechte vor, blendet jedoch grundlegende Arbeitnehmerrechte wie das Streikrecht aus.
13.09.2025 23:30 Uhr
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In Kuba hat am 8. September ein politisch aufgeladener Konsultationsprozess begonnen, der zu einem neuen Arbeitsgesetz führen soll. Der Entwurf für den Código del Trabajo, für Juli 2026 zur Verabschiedung vorgesehen, enthält eine Reihe von Modernisierungen. Zugleich bleibt er in zentralen Fragen vage oder verweigert grundlegende Rechte, die international als Standard gelten. Während die Regierung den Prozess als „demokratische Übung“ und Fortschritt für Millionen Beschäftigte preist, sehen Kritiker vor allem ein kontrolliertes Ritual, das mehr Legitimation als tatsächliche Mitgestaltung bietet.
Digitale Rechte, Heimarbeit und Mindestlohnpolitik Eine der sichtbarsten Neuerungen ist das Recht auf digitale Abschaltung: Arbeitnehmer sollen außerhalb der Arbeitszeit nicht kontaktiert werden dürfen. Ergänzend wird Telearbeit gesetzlich verankert – einschließlich der Möglichkeit, von außerhalb Kubas tätig zu sein, wenngleich unter engen vertraglichen Bedingungen. Damit greift die Reform Entwicklungen auf, die in der kubanischen Realität bislang kaum reguliert sind. Auch das Prinzip des „würdigen Beschäftigungsverhältnisses“ wird hervorgehoben, verbunden mit dem Versprechen von Sicherheit, Schutzmechanismen und angemessener Bezahlung. Konkrete Verpflichtungen fehlen jedoch. Weder eine Anpassung von Löhnen an Inflation noch eine Koppelung an Lebenshaltungskosten ist vorgesehen. Stattdessen bleibt das Mindestgehalt weiterhin in der Hand des Ministerrats. Angesichts massiver Inflation und Versorgungsengpässen in Kuba ist die Einkommensfrage damit weiterhin politisch reguliert – und entzieht sich kollektiver Aushandlung. Sozialversicherung und Familienrechte Besonders für den privaten Sektor enthält der Entwurf Neuerungen: Kleine und mittlere Unternehmen, die seit 2021 entstanden sind und inzwischen rund 250.000 Menschen beschäftigen, sollen erstmals eine Pflichtversicherung gegen Arbeitslosigkeit einführen. Unklar bleibt, wie diese Versicherung organisiert und ob sie Staatsangestellten gleichgestellt wird. Für Hochschulabsolventen wird das obligatorische Sozialjahr von drei auf zwei Jahre verkürzt, zudem ist es künftig auch in nichtstaatlichen Einrichtungen möglich. Familienpolitisch wird eine gerechtere Verteilung von Verantwortung betont: Elternzeit soll nicht nur Müttern, sondern auch Vätern und anderen Angehörigen offenstehen. Einheitsgewerkschaft als dominierende Instanz Besonders kritisch sehen Beobachter die Rolle der Gewerkschaften. Zwar erweitert das Gesetz formal die Beteiligungsrechte von Arbeitnehmern, doch bleibt die Central de Trabajadores de Cuba (CTC) unter Kontrolle der Kommunistischen Partei, die einzige legale Gewerkschaft und das alleinige Sprachrohr. Unabhängige Interessenvertretungen sind nicht vorgesehen, ebenso fehlt die ausdrückliche Anerkennung des Streikrechts. Damit bleibt Kuba weit hinter internationalen Standards zurück, trotz des Verweises auf mehr als 90 ratifizierte Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Konsultation in großem Maßstab Von September bis Ende November 2025 sollen mehr als 13.000 Versammlungen im ganzen Land stattfinden. Beschäftigte können dort Änderungs-, Ergänzungs- oder Streichungsvorschläge einbringen, die in offiziellen Protokollen festgehalten werden. Eine App und gedruckte Tabloids sollen die Beteiligung erleichtern. So sind in Las Tunas sind fast 1.900 Sitzungen mit rund 78.000 Beschäftigten geplant, in Holguín fast 2.800 Treffen – begleitet von speziellen Schulungen für Hunderte Gewerkschaftsfunktionäre. Auch der Transport- und Landwirtschaftssektor wird einbezogen, um selbst schwer erreichbare Gruppen wie Taxiunternehmer mit privaten Lizenzen oder Landarbeiter einzubinden. Die Regierung und die CTC inszenieren die Konsultation als politisches Großereignis. Sie sei die wichtigste Initiative des Jahres und ein Beweis partizipativer Demokratie, so die offizielle Linie. Tatsächlich orientiert sich der Entwurf an Vorgaben aus den „Lineamientos“ der Partei und am Entwicklungsplan bis 2030. Auch internationale Abkommen flossen ein. Befürworter sehen darin den Versuch, das Arbeitsrecht zu modernisieren und den veränderten Realitäten – darunter wachsende Privatwirtschaft, Migration und neue Beschäftigungsformen – anzupassen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit Doch die Gratwanderung zwischen Modernisierung und staatlicher Kontrolle bleibt offensichtlich. Elemente wie digitale Rechte, soziale Absicherung im Privatsektor oder familienfreundlichere Regelungen signalisieren Reformbereitschaft. Gleichzeitig verhindern das Fehlen unabhängiger Gewerkschaften, das nicht gewährte Streikrecht und die politisch festgelegte Lohnstruktur substanzielle Mitbestimmung. Kritiker warnen, dass das Gesetz die strukturellen Defizite des kubanischen Arbeitsmarktes eher zementiere als überwinde. Im Sommer 2026 soll die Nationalversammlung über den endgültigen Text entscheiden. Ob die nun angelaufene Konsultation tatsächlich mehr ist als ein kontrollierter Beteiligungsprozess, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Klar ist schon jetzt: Der neue Código del Trabajo wird tief in den kubanischen Arbeitsalltag eingreifen – mit ungleichen Fortschritten und engen Grenzen.
Quellen: Periodica 26 (https://t1p.de/w1ago), Telesur (https://t1p.de/vbdl3), Ahora (https://t1p.de/ubfuk),EFE (https://t1p.de/47noa)
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Text: Leon Latozke
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