Neues aus Kuba
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Kuba erlebt eine schwere wirtschaftliche Krise, die durch einen massiven, viertägigen Stromausfall verstärkt wurde. Auch wenn die Lichter mittlerweile wieder angingen bleibt die Stimmung im Land düster. Hohe Inflation, eine marode Infrastruktur und ein Rückgang des Tourismus verschärfen die Situation und lassen die Hoffnung auf Besserung schwinden.
(Bildquelle: IPS Cuba © Jorge Luis Baños/IPS)
Kuba steht inmitten einer tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die für die Bevölkerung der Insel existenzbedrohende Ausmaße angenommen hat. Der jüngste, vier Tage andauernde Stromausfall – genannt „Megaapagón“ – stürzte zehn Millionen Menschen buchstäblich ins Dunkel und offenbarte zugleich, wie prekär die Lage des Landes mittlerweile ist. Auch wenn die Elektrizitätsversorgung inzwischen weitgehend wiederhergestellt wurde, hinterlässt das Ereignis eine düstere Stimmung und einen tiefen Eindruck der Resignation bei der Bevölkerung. Die Menschen, die sich an regelmäßige Stromausfälle, Wassermangel und leere Regale gewöhnt haben, erlebten dennoch einen Schock. Sie sind erschöpft und zunehmend hoffnungslos, während die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Verbesserung versprechen.
Der vier Tage andauernde Blackout brachte auf Kuba das öffentliche Leben fast vollständig zum Stillstand. Das Fehlen von Elektrizität bedeutete weit mehr als Dunkelheit: Wasserpumpen, öffentliche Verkehrsmittel und sogar die Kühlmöglichkeiten für Nahrungsmittel blieben aus. Menschen mussten auf provisorischen Feuerstellen auf den Straßen kochen, während in Havanna einzig einige internationale Hotels und Krankenhäuser als Lichtpunkte fungierten. In vielen Teilen der Hauptstadt flammten nachts improvisierte Lagerfeuer auf – ein Bild, das wie eine düstere Erinnerung an frühere Krisenzeiten wirkt und die Menschen gleichzeitig in Verzweiflung und Zorn versetzt. Einfache Freuden, wie eine kühle Brise aus einem Ventilator, blieben den Kubanern in diesen Tagen verwehrt. Im ganzen Land äußerten die Menschen ihre Frustration durch sogenannte „Cacerolazos“ – Protestaktionen, bei denen die Menschen auf ihre leeren Kochtöpfe schlagen. Laut Berichten wurden 28 solcher kleineren Proteste registriert, begleitet von vereinzelten Brandaktionen von Müllcontainern. Die angestaute Wut zeigte sich vereinzelt, doch insgesamt blieb das Ausmaß der Proteste gering, da die Bevölkerung aus Angst vor Repressionen zurückhaltend agierte. Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel hatte bereits signalisiert, dass er jeden Widerstand gegen die Staatsmacht rigoros unterbinden würde. So bleibt vielen Kubanern nichts anderes übrig, als sich erneut in den täglichen Überlebenskampf zu stürzen und auf Verbesserungen zu hoffen – eine Hoffnung, die jedoch zunehmend schwindet. Diese jüngste Krise erinnert viele Kubaner an die sogenannte „Periodo Especial“ in den 1990er Jahren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor Kuba damals seinen wichtigsten wirtschaftlichen Unterstützer und fiel in eine existenzielle Krise, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 35 Prozent einbrechen ließ. Die Wirtschaftsstruktur der sozialistischen Insel konnte die Lücke kaum kompensieren, weshalb viele Kubaner über Jahre hinweg nur das Nötigste hatten. Die Regierung führte Rationierungen ein und ließ erstmals westliche Währungen zu, um Devisen zu generieren. Heute herrscht erneut ein Gefühl des „Déjà-vu“. Auch wenn sich die Regierung bemüht, die Krise auf äußere Faktoren wie das US-Embargo, ausbleibende venezolanische Öllieferungen und Hurrikane zu schieben, wächst bei vielen Kubanern der Eindruck, dass die Regierung die internen strukturellen Probleme ignoriert und nicht in der Lage ist, wirtschaftliche Reformen oder Verbesserungen einzuleiten. Besonders die Inflation setzt der Bevölkerung erheblich zu. Laut offiziellen Angaben liegt die Teuerungsrate bei rund 30 Prozent, während unabhängige Experten von über 100 Prozent ausgehen. Produkte des täglichen Bedarfs wie Brot und Reis sind kaum noch erschwinglich, und die Lebensmittelrationierung über das sozialistische „Libreta“-System ist mittlerweile für die Versorgung der Bevölkerung unzureichend. Lebensmittel, die für Kubaner ohnehin ein kostbares Gut sind, verrotten bei Stromausfällen rasch und sind dann unwiederbringlich verloren. Die ohnehin schon knappen Vorräte, oft von Verwandten aus dem Ausland gespendet, gehen in wenigen Tagen verloren, wenn Kühlmöglichkeiten ausfallen. Eine nachhaltige Lösung für diese Probleme ist nicht in Sicht – zu lange schon hat die sozialistische Planwirtschaft keine Maßnahmen zur wirtschaftlichen Modernisierung oder zur Förderung der Eigenversorgung ergriffen. Ein weiteres Problem ist die Schwäche des kubanischen Tourismus, einer der wichtigsten Devisenbringer des Landes. Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der Touristen stark zurückgegangen, und nur etwa die Hälfte des Vor-Corona-Niveaus ist heute erreicht. Die Reisebranche leidet darunter, dass viele Europäer, Kanadier und Amerikaner der Insel inzwischen fernbleiben. Stattdessen machen russische Touristen einen großen Teil der verbleibenden Urlauber aus, die aber meist geringere Ausgaben mitbringen. Für die kubanische Wirtschaft bedeutet dies weniger Einkünfte und einen weiteren Rückgang der ohnehin begrenzten Devisenreserven. Die veraltete Infrastruktur verschärft die Situation weiter: Kubas Kraftwerke, größtenteils aus Sowjetzeiten stammend, sind marode und unzuverlässig. Durch den Mangel an Devisen fehlen dem Staat die Mittel zur Modernisierung, und so bleibt die Stromversorgung instabil. In der Vergangenheit schien die kubanische Regierung auch kaum gewillt, notwendige Investitionen in die Energieinfrastruktur zu tätigen. Dass die Bevölkerung nun regelmäßig mit Stromausfällen konfrontiert ist, zeigt die gravierende Vernachlässigung des Energiesektors über Jahre hinweg. Jüngste Daten der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) bestätigen den dramatischen Rückgang des kubanischen BIP, das im Jahr 2023 um 1,9 Prozent sank und 2024 nur ein marginales Wachstum von 0,5 Prozent aufweisen dürfte. So bleibt Kuba in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale gefangen, während die Regierung kaum Maßnahmen zur Linderung der Notlage der Bevölkerung ergreift. Trotz der zahlreichen Versprechungen und Beschwörungen des „sozialistischen Erfolgsmodells“ scheint die Realität des Landes eher die eines Krisengebietes zu sein. Ohne tiefgreifende Reformen, die die staatlich dominierte Planwirtschaft und die Devisenbeschaffung an moderne Anforderungen anpassen, droht der Inselstaat weiter im Dunkeln zu bleiben – sowohl sprichwörtlich als auch im übertragenen Sinne. Die Menschen auf Kuba haben sich über Jahrzehnte an Entbehrungen und Schlangenstehen gewöhnt, doch die aktuelle Krise stellt sie vor neue und scheinbar unüberwindbare Herausforderungen. Viele Kubaner sehen sich heute mit der Frage konfrontiert, wie lange sie noch im Warten und Hoffen verharren können, bis sich grundlegende Veränderungen abzeichnen.
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Text: Leon Latozke
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