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Kuba inszeniert den 1. Mai als Zeichen politischer Geschlossenheit – trotz wachsender Krisen1/5/2025 ![]() ![]()
Am 1. Mai inszenierte die kubanische Regierung die zentrale Kundgebung in Havanna als Zeichen politischer Geschlossenheit – trotz schwerer Wirtschaftskrise und wachsender Spannungen mit den USA. Zehntausende nahmen an der Demonstration teil, deren Teilnahme als Ausdruck revolutionärer Loyalität gewertet wurde.
Inmitten einer anhaltenden Wirtschafts- und Versorgungskrise hat die kubanische Regierung am 1. Mai zehntausende Bürgerinnen und Bürger zu einer zentralen Kundgebung auf der Plaza de la Revolución in Havanna mobilisiert. Die traditionelle Veranstaltung zum Internationalen Tag der Arbeit wurde von der politischen Führung als Beweis für den Rückhalt in der Bevölkerung dargestellt. Zugleich rief sie angesichts wachsender Spannungen mit den Vereinigten Staaten zur nationalen Geschlossenheit auf.
Es war das erste Mal seit 2022, dass die Demonstration wieder auf dem symbolträchtigen Platz in Havanna stattfand. Die Teilnahme wurde von der Regierung, staatlichen Medien und Institutionen bereits im Vorfeld als Ausdruck politischer Loyalität gewertet. In offiziellen Erklärungen wurde der Marsch als „eindeutiger Beweis für die mehrheitliche Unterstützung des heldenhaften kubanischen Volkes für seine Revolution“ bezeichnet. Der Vorsitzende der Einheitsgewerkschaft CTC, Ulises Guilarte, sprach in seiner Ansprache von einer „demonstrativen Bestätigung des revolutionären Engagements der Bevölkerung“. Präsident Miguel Díaz-Canel hatte zuvor in einer Mitteilung zur Teilnahme aufgerufen. Unter dem Motto „Für unsere Unabhängigkeit und unsere Träume von Gerechtigkeit“ sollte die Demonstration als Ausdruck nationaler Einheit verstanden werden. Außenminister Bruno Rodríguez bezeichnete die Kundgebungen im ganzen Land als „patriotisch und freudvoll“ und warf den Vereinigten Staaten vor, durch ihr Handelsembargo die wirtschaftliche Lage des Landes weiter zu verschärfen. Angespannte Lage auf mehreren Ebenen Die politische Inszenierung des 1. Mai steht im deutlichen Kontrast zur tatsächlichen Lage im Land. Kuba befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise, die von offiziellen Stellen als „kompliziertes Szenario“ beschrieben wird. In seiner Ansprache vor Beginn der Kundgebung sprach CTC-Chef Guilarte von erheblichen Herausforderungen, deren Ursachen sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur seien – wobei beide Bereiche zunehmend untrennbar miteinander verwoben seien. Die seit Jahren anhaltende Rezession erinnert in ihrer Schwere an die als „Periodo Especial“ bezeichnete Zeit der 1990er-Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Kuba leidet unter einer Kombination aus massiven Versorgungsengpässen bei Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff, hoher Inflation, regelmäßigen Stromausfällen und einer deutlichen Abwertung des Peso. Die Kaufkraft der Bevölkerung ist stark gesunken, während sich eine zunehmende Dollarabhängigkeit im Alltagsleben bemerkbar macht. Die Ursachen sind vielfältig. Die Corona-Pandemie hatte ebenso Auswirkungen wie das Scheitern mehrerer wirtschaftspolitischer Reformvorhaben, darunter die weitreichende Währungsreform von 2021. Verschärft wird die Situation durch neue Maßnahmen aus Washington. Mit dem Amtsantritt von US-Präaident Donald Trump und Marco Rubio als US-Außenminister im Januar 2025 hat sich das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten weiter verschlechtert. Rückkehr zur Konfrontation Die USA haben Kuba erneut auf die Liste der Staaten gesetzt, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Finanzdienstleister, über die Auslandskubaner Geld an Angehörige auf der Insel überweisen, wurden blockiert. Auch das medizinische Auslandspersonal, eine wichtige Einnahmequelle für Havanna, ist Ziel neuer US-Sanktionen. Die kubanische Regierung reagierte mit scharfer Rhetorik: Die Rücknahme von Devisenüberweisungen und die Isolation der Auslandseinsätze kubanischer Ärzte wird als Versuch gewertet, die wirtschaftliche Basis des Systems zu untergraben. Einen Tag vor dem 1. Mai veröffentlichte das kubanische Außenministerium eine Erklärung, in der es dem US-Botschafter in Havanna eine „einmischende Haltung“ und Unterstützung oppositioneller Aktivitäten vorwarf. Solche Töne markieren eine Rückkehr zur konfrontativen Rhetorik, wie sie bereits während der ersten Trump-Regierung in den Jahren 2017 bis 2021 gepflegt wurde. Mobilisierung ohne belastbare Zustimmung Die hohe Teilnehmerzahl am 1. Mai dient der Regierung in Havanna als Beleg für die eigene Handlungsfähigkeit. Ob es sich dabei tatsächlich um einen Gradmesser für politische Zustimmung handelt, ist schwer zu beurteilen. Unabhängige Daten zur Motivation der Teilnehmer oder zu deren politischer Überzeugung liegen nicht vor. Inwieweit die Menschen aus Überzeugung, sozialem Druck oder organisatorischer Vorgabe teilnehmen, bleibt offen. Zugleich lässt sich nicht ignorieren, dass die gesellschaftliche Unterstützung für das politische System in Kuba erodiert. Selten zuvor war die Auswanderung so hoch wie seit dem Jahr 2022. Hunderttausende Kubaner haben das Land in den vergangenen Jahren verlassen – in der Hoffnung auf wirtschaftliche Perspektiven und persönliche Freiheiten. Die Proteste der Jahre 2021, 2022 und 2023, die zum Teil landesweit ausfielen und deren Teilnehmer zum Teil harte Repressionen erlitten, gelten als Indikatoren eines wachsenden Unmuts in Teilen der Bevölkerung. Symbolpolitik mit begrenzter Wirkung Vor diesem Hintergrund erscheint die politische Deutung des 1. Mai durch die kubanische Führung als Versuch, Normalität und Kontrolle zu demonstrieren. Die Regierung nutzt die traditionellen Feierlichkeiten, um ein Bild von Stabilität zu zeichnen, das vor allem nach außen Wirkung entfalten soll. Nach innen richtet sich die Botschaft hingegen auf die Erwartung weiterer Geduld, Disziplin und Zusammenhalt – trotz aller ökonomischen und sozialen Belastungen. Ob diese Form der Symbolpolitik in einem zunehmend fragmentierten gesellschaftlichen Umfeld noch dauerhaft Wirkung entfalten kann, bleibt abzuwarten. Die strukturellen Probleme der kubanischen Wirtschaft, die eingeschränkten politischen Freiräume und die fortgesetzte Migration sprechen gegen eine nachhaltige Stabilisierung. Der 1. Mai 2025 dürfte daher weniger als Zeichen realer Geschlossenheit gelten, sondern vielmehr als Moment staatlich orchestrierter Kontinuität in einem Land im Ausnahmezustand.
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Text: Leon Latozke
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