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Die kubanische Regierung verdoppelt ab September 2025 die Mindestrente für Hunderttausende Seniorinnen und Senioren. Doch trotz der angekündigten Erhöhung bleibt die staatliche Unterstützung weit unterhalb der realen Lebenshaltungskosten.
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Ab September 2025 will die kubanische Regierung die Mindestrente verdoppeln. Rund 430.000 Rentnerinnen und Rentner sollen statt der bisherigen 1.528 Peso nun 3.056 Peso monatlich erhalten – das entspricht einem Anstieg von rund zwölf auf gut 25 US-Dollar (zum offiziellen Wechselkurs). Zusätzlich kündigte Premierminister Manuel Marrero an, dass auch 1,3 Millionen weitere Pensionierte, die derzeit unter 4.000 Peso erhalten, auf diesen Betrag aufgestockt werden sollen. Doch trotz der Erhöhung bleibt die Altersrente weit unter dem tatsächlichen Existenzminimum – und illustriert einmal mehr die Tiefe der sozialen Krise auf der Insel.
Die Maßnahme wurde auf der jüngsten Sitzung des Zentralkomitees der regierenden Kommunistischen Partei beschlossen und vom Regierungschef vor dem Parlament verkündet. Begründet wurde der Schritt mit der „komplexen Einkommenslage der Rentner“. Tatsächlich leben viele kubanische Seniorinnen und Senioren am Rande des Existenzminimums – trotz eines Arbeitslebens, das oft Jahrzehnte unter staatlicher Kontrolle stand. Die Kaufkraft der Rente hat in den vergangenen Jahren durch Hyperinflation und Währungsverfall massiv gelitten. Laut Regierung sollen mit der Maßnahme vorrangig diejenigen entlastet werden, die sich in der größten sozialen Not befinden. Doch wie prekär die Lage tatsächlich ist, zeigt der Vergleich mit alltäglichen Preisen: Ein Karton mit 30 Eiern kostet auf dem privaten Markt mittlerweile über 3.000 Peso. Damit ist klar: Auch die verdoppelte Unterstützung reicht kaum für die grundlegende Ernährung, geschweige denn für Medikamente, Kleidung oder Wohnkosten. Von einem würdevollen Lebensabend kann unter diesen Bedingungen kaum die Rede sein. Um die Rentenerhöhung zu finanzieren, will die Regierung jährlich zusätzliche 22 Milliarden Peso – umgerechnet über 900 Millionen US-Dollar – ins Budget der Sozialversicherung einplanen. Wie genau diese Mittel aufgebracht werden sollen, ließ Marrero offen. Lediglich von einem „Maßnahmenpaket“ war die Rede, ohne Details. Kritiker werfen der Regierung vor, dass solche Ankündigungen zwar kurzfristig entlasten, langfristig aber keine nachhaltige Strategie erkennen lassen. Besonders deutlich wird die strukturelle Überforderung am demografischen Wandel. Nach Zahlen des kubanischen Statistikamts (ONEI) ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung inzwischen 60 Jahre oder älter. Zwischen 2021 und 2023 wuchs diese Altersgruppe um rund 100.000 Menschen. Gleichzeitig schrumpfte die Zahl der Erwerbstätigen im Alter zwischen 15 und 59 Jahren um fast 800.000 Personen – ein Rückgang von rund zwölf Prozent. Die Folge ist ein wachsendes Ungleichgewicht: Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentenempfänger aufkommen. Schon jetzt gilt Kuba als eine der am schnellsten alternden Gesellschaften Lateinamerikas. Hinzu kommt, dass viele junge, gut ausgebildete Kubaner das Land in den letzten Jahren verlassen haben. Zwischen 2021 und 2025 sollen – je nach Quelle – bis zu zwei Millionen Menschen ausgewandert sein. Die Konsequenz: Die familiären Netzwerke, die traditionell ältere Angehörige mitversorgten, brechen zunehmend weg. Immer mehr Senioren leben allein, oft unter prekären Bedingungen. Der Staat, der sich selbst gern als Garant sozialer Sicherheit präsentiert, kann diese Lücken immer weniger schließen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das kirchlich getragene „Centro Cristiano de Reflexión y Diálogo“ (CCRD) in der Stadt Cárdenas versuchen, dort einzuspringen, wo staatliche Strukturen versagen. Mit Hilfe ausländischer Spenden versorgen sie Dutzende ältere Menschen mit warmem Essen, Kleidung und Pflege. Doch solche Initiativen sind begrenzt, lokal und in ihrer Reichweite stark abhängig von Ressourcen und freiwilligem Engagement. Sie können den Zusammenbruch des staatlichen Sozialsystems nicht kompensieren – und schon gar nicht ersetzen. Auch wirtschaftlich hat sich die Lage in den letzten Jahren verschärft. Die Inflation frisst Renten wie Gehälter auf, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist desolat, die Energiekrise verschärft die Situation zusätzlich. Stromausfälle sind alltäglich, und auch der Gesundheitssektor ist am Limit: In vielen Apotheken fehlen selbst Basis-Medikamente, im Krankenhausbetrieb mangelt es an Spritzen, Verbänden und Personal. Die Rentenerhöhung ist daher zwar ein überfälliger Schritt – aber kein Befreiungsschlag. Sie zeigt vielmehr, wie tief der soziale und wirtschaftliche Abstieg bereits fortgeschritten ist. Ökonomen wie der in Kolumbien lehrende Kubaner Pavel Vidal machen dafür eine Mischung aus ideologischer Starrheit, reformunwilliger Politik und den Auswirkungen verschärfter US-Sanktionen verantwortlich. Eine nachhaltige Erholung, so Vidal, sei ohne strukturelle Öffnungen der kubanischen Wirtschaft nicht denkbar. Tatsächlich lässt die Regierung bislang kaum erkennen, dass sie zu einem grundlegenden Kurswechsel bereit ist. Statt auf einen echten wirtschaftlichen Umbau oder auf eine Beteiligung der Privatwirtschaft zu setzen, wird die Kontrolle über den Staatsapparat aufrechterhalten – selbst wenn er in zentralen Bereichen wie Renten, Gesundheit oder Versorgung kaum noch funktioniert. Für viele der älteren Kubaner bedeutet das: ein Leben in der Warteschleife – auf Hilfe, Reformen oder schlicht auf ein menschenwürdiges Auskommen. Die Rentenerhöhung lindert Symptome, löst aber nicht das Grundproblem: den Verfall eines Systems, das den Schwächsten im Land kaum mehr Schutz bietet.
Quelle: Granma (https://t1p.de/qp3mw)
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Text: Leon Latozke
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