Neues aus Kuba
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Kuba erlebt eine dramatische Verschärfung seiner Energiekrise: Laut der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft UNE wird mehr als die Hälfte des Landes während der abendlichen Spitzenlast zeitgleich von Stromausfällen betroffen sein. Die häufigen Abschaltungen belasten Bevölkerung und Wirtschaft zunehmend und verstärken das soziale Spannungsfeld, das bereits in der Vergangenheit zu Protesten führte.
![]() Wie die Nachrichtenagetur EFE berichtet, steht Kuba erneut vor einer massiven Verschärfung seiner anhaltenden Energiekrise. Am heutigen Mittwochabend (21.), zur Zeit des höchsten Stromverbrauchs, werden nach offiziellen Angaben 51 % des Landes gleichzeitig von Stromabschaltungen betroffen sein. Verantwortlich für diese drastischen Maßnahmen ist das staatliche Unternehmen Unión Eléctrica (UNE), das den desolaten Zustand des nationalen Stromnetzes nicht mehr kompensieren kann. Damit steuert das Land auf eine der tiefsten Energiekrisen seit Jahrzehnten zu – mit weitreichenden Folgen für Bevölkerung, Wirtschaft und gesellschaftliche Stabilität. Die Prognosen der UNE, die dem Energieministerium unterstellt ist, sprechen eine deutliche Sprache: Am Abend steht dem Land nur eine maximale Stromerzeugungskapazität von 1.800 Megawatt (MW) zur Verfügung – bei einem Bedarf von 3.500 MW. Das bedeutet ein rechnerisches Defizit von 1.700 MW. Die tatsächliche „Affectación“, also der Umfang der geplanten Abschaltungen zur Vermeidung eines völligen Blackouts, liegt mit 1.770 MW sogar über dem Defizit. Es sei zudem üblich, dass die realen Werte die offiziellen Prognosen übertreffen, wie EFE unter Berufung auf die UNE berichtet. Noch alarmierender ist, dass der Strombedarf in der Nacht mittlerweile beinahe das Niveau der Tagesstunden erreicht – laut dem Direktor für Elektrizität im Energieministerium, Lázaro Guerra, liegt er selbst in den frühen Morgenstunden bei über 3.000 MW. Das belastet die ohnehin überforderte Infrastruktur zusätzlich und erschwert jede Form der Netzstabilisierung. 20 Stunden Stromausfall pro Tag in Teilen des Landes Die Auswirkungen sind in der Bevölkerung deutlich spürbar. In vielen Teilen des Landes, darunter große Städte wie Santiago de Cuba und Holguín, dauern die Stromausfälle inzwischen bis zu 20 Stunden pro Tag. Selbst in der Hauptstadt Havanna, die in Krisenzeiten bislang meist geschont wurde, kommt es täglich zu Unterbrechungen von vier bis fünf Stunden. In der westlichen Provinz Artemisa haben die Behörden bereits reagiert: Schulzeiten wurden gekürzt, der Unterricht findet nur noch in einer einzigen Schicht statt – eine Maßnahme, die laut Bildungsministerium helfen soll, die Auswirkungen der Energiekrise auf Schüler und Lehrer zu mildern. Hintergrund dieser dramatischen Situation ist ein komplexes Zusammenspiel technischer, wirtschaftlicher und geopolitischer Faktoren. Nach Angaben der UNE sind derzeit sieben von zwanzig thermoelektrischen Produktionseinheiten aufgrund von Defekten oder Wartungsarbeiten außer Betrieb. Hinzu kommen 43 kleinere dezentrale Generatoren, die wegen fehlenden Brennstoffs – Diesel und Schweröl – nicht betrieben werden können. Diese Engpässe sind teilweise auf das hohe Alter der Anlagen zurückzuführen: Viele Kraftwerke stammen noch aus den 1970er- oder 1980er-Jahren und haben ihre technische Lebensdauer längst überschritten. Kraftwerke veraltet, Brennstoff fehlt, Geld ist keines da Wie EFE weiter berichtet, erkennt die kubanische Regierung offiziell an, dass die Energiekrise wesentlich auf den schlechten Zustand der Kraftwerke, die Brennstoffknappheit und den Mangel an Devisen für Importe zurückzuführen ist. Kritische Stimmen unabhängiger Experten weisen jedoch auf eine chronische Unterfinanzierung des gesamten Energiesektors hin, der seit der Revolution 1959 vollständig in staatlicher Hand ist. Auch US-Sanktionen, insbesondere im Bereich Energie, erschweren laut kubanischer Regierung den Zugang zu notwendigen Ressourcen und internationalen Kreditlinien. Verschärft hat sich die Lage Mitte vergangenen Jahres, seither kam es zu vier großflächigen Stromausfällen auf der gesamten Insel – der letzte ereignete sich im März dieses Jahres. Unabhängige Schätzungen gehen davon aus, dass zur Sanierung des Stromnetzes Investitionen zwischen acht und zehn Milliarden US-Dollar notwendig wären. Ein Betrag, der für das wirtschaftlich angeschlagene Kuba derzeit völlig unrealistisch erscheint. Wirtschaft in der Rezession – soziale Unruhe wächst Die Energiekrise wirkt sich zunehmend auch auf die ohnehin fragile wirtschaftliche Lage aus. Laut Regierungsangaben schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt Kubas im Jahr 2023 um 1,9 %. Auch im vergangenen Jahr gab es kein Wachstum. Die Wirtschaftsleistung liegt weiterhin unter dem Niveau von 2019. Für das Jahr 2025 rechnet die Regierung lediglich mit einem Wachstum von einem Prozent – ein Ziel, das angesichts der Energieengpässe mehr als fraglich erscheint. Neben der ökonomischen Bedeutung haben die Stromausfälle aber auch eine hochpolitische Dimension. Immer wieder waren sie Auslöser massiver Proteste: So etwa im Juli 2021, im August 2022 in Havanna und Nuevitas oder zuletzt im März 2024 in Santiago de Cuba. Die Aussicht auf einen Sommer mit noch häufigeren und länger andauernden Stromunterbrechungen lässt befürchten, dass die soziale Unruhe erneut aufflammen könnte. Kubas Stromversorgung steuert damit nicht nur auf einen technischen Zusammenbruch zu, sondern gefährdet auch die ohnehin angeschlagene soziale Stabilität des Landes. Während Regierung und Staatsmedien die Schuld vor allem auf äußere Faktoren wie Sanktionen und fehlende Finanzmittel schieben, sehen unabhängige Analysten in der jahrzehntelangen Misswirtschaft und fehlenden Reformbereitschaft die tieferliegenden Ursachen der Krise. Nach dem EFE-Bericht, könnte das, was sich derzeit auf Kuba abspielt, daher nur ein Vorgeschmack auf eine noch umfassendere Versorgungskrise in den kommenden Monaten sein – mit ungewissem Ausgang für ein Land, das ohnehin mit historisch beispiellosen Herausforderungen kämpft.
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Text: Leon Latozke
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