Neues aus Kuba
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Kubas Zuckerproduktion erreicht einen historischen Tiefstand: Erstmals seit dem 19. Jahrhundert dürfte die Jahresmenge 2025 unter 200.000 Tonnen fallen. Die Ursachen reichen von US-Sanktionen über Misswirtschaft bis zu technischen Ausfällen. Besonders betroffen ist die Rumindustrie, die auf heimischen Zuckerrohralkohol angewiesen ist.
Die Zuckerindustrie Kubas steht vor einem historischen Einschnitt. Nach offiziellen Angaben und branchennahen Quellen wird die Rohzuckerproduktion des Landes im Jahr 2025 voraussichtlich erstmals seit dem 19. Jahrhundert unter 200.000 Tonnen liegen. Damit erreicht der einst bedeutendste Exportzweig der kubanischen Wirtschaft einen neuen Tiefpunkt – mit absehbaren Auswirkungen auch auf die heimische Rumproduktion.
Die einstige Zuckerhochburg Kuba erlebt einen neuen Tiefpunkt in ihrer Geschichte: Nach aktuellen Berichten und Einschätzungen dürfte die jährliche Rohzuckerproduktion der Karibikinsel im Jahr 2025 erstmals seit dem 19. Jahrhundert unter 200.000 Tonnen fallen. Damit befindet sich eine der traditionsreichsten und für die kubanische Wirtschaft zentralen Industrien in freiem Fall – mit weitreichenden Folgen, auch für international geschätzte Produkte wie den kubanischen Rum. Der staatliche Zuckerkonzern AZCUBA hatte für die aktuelle Erntesaison ursprünglich eine Produktionsmenge von 265.000 Tonnen angepeilt. Nach einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf staatliche Medienberichte und Insiderinformationen liegt die tatsächliche Ausbeute jedoch etwa 100.000 Tonnen darunter. Schon im Vorjahr war die Zuckerproduktion auf 350.000 Tonnen gefallen – ein deutlicher Rückgang gegenüber den 1,3 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Angesichts der rückläufigen Erträge muss Kuba in diesem Jahr voraussichtlich mehr Zucker importieren, als es selbst erzeugt. Das stellt eine Zäsur dar für ein Land, das noch 1989 rund acht Millionen Tonnen Rohzucker produzierte und als weltweit führender Exporteur galt. Damals stützte die Sowjetunion Kubas Zuckerwirtschaft mit subventionierten Abnahmen und technischer Hilfe. Mit deren Zerfall begann ein schleichender Abstieg der Branche, der sich bis heute fortsetzt. Die Ursachen für die aktuellen Engpässe sind vielfältig: Neben den anhaltenden US-Sanktionen, die den Zugang zu Treibstoffen, Ersatzteilen und Finanzmitteln einschränken, behindern strukturelle Ineffizienzen und organisatorische Defizite die Produktion. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft. Auch die landwirtschaftliche Infrastruktur ist vielerorts marode. Immer wieder kommt es zu Ausfällen in den Zuckerfabriken – bedingt durch Treibstoffmangel, fehlende Schmiermittel und technische Defekte. Besonders deutlich wird die Krise beim Blick auf die regionale Produktion: Nur eine der 13 zuckerverarbeitenden Provinzen – Sancti Spíritus – konnte ihr bescheidenes Soll von 19.000 Tonnen bis Mai erfüllen. In Villa Clara, einst Zentrum der Zuckerindustrie, wurde lediglich 38 Prozent des Produktionsziels von 27.000 Tonnen erreicht. Die Provinz Cienfuegos kam auf rund zwei Drittel ihres Plans, während Las Tunas nur 11 Prozent seiner vorgesehenen Menge produzierte. Auch die Verarbeitung leidet unter saisonalen Effekten: Ab Mai führen zunehmende Regenfälle zu niedrigeren Ausbeuten in den Zuckerfabriken, die ohnehin nur eingeschränkt funktionsfähig sind. Die Regierung hält zwar an der Produktion fest, kann jedoch die Verluste kaum kompensieren. Besonders betroffen von der Entwicklung ist die kubanische Rumindustrie, die auf Alkohol aus heimischem Zuckerrohr angewiesen ist. Gesetzliche Vorgaben und internationale Qualitätsstandards verlangen, dass „authentischer kubanischer Rum“ ausschließlich mit kubanischem Zuckerrohralkohol produziert wird. Laut der nationalen Statistikbehörde ist die Herstellung von 96-prozentigem Ethanol – dem Grundstoff hochwertiger Rumsorten – seit 2019 um rund 70 Prozent eingebrochen: von 573.000 Hektolitern auf nur noch 174.000 im Jahr 2023. Auch andere Alkoholsorten, die in der Rumproduktion Verwendung finden, verzeichneten ähnliche Rückgänge. Ein ausländischer Investor aus der Branche, der gegenüber Reuters anonym bleiben wollte, äußerte sich besorgt über die langfristige Perspektive: „Da Rum reifen muss, greifen wir derzeit auf Lagerbestände zurück. Die eigentliche Frage ist, ob wir künftig noch neue Bestände aufbauen können.“ Die Produktion von Premium-Rumsorten erfordert mehrjährige Reifeprozesse – eine kontinuierliche Verfügbarkeit der Grundstoffe ist daher entscheidend. Der Einbruch der Zuckerproduktion hat über den Agrarsektor hinausreichende Konsequenzen. Zucker war traditionell ein bedeutender Devisenbringer für die kubanische Volkswirtschaft. Der Verlust dieser Einnahmequelle verschärft die wirtschaftliche Gesamtkrise des Landes, das sich ohnehin in einer angespannten Versorgungslage befindet. Die Entwicklung spiegelt den Zustand eines Wirtschaftssystems wider, das unter dem Druck internationaler Sanktionen, interner Fehlsteuerung und struktureller Schwächen leidet. Wiederholte Versuche der Regierung, die Zuckerindustrie durch Rationalisierungen und Schließungen unrentabler Betriebe zu reformieren, zeigten bislang kaum Wirkung. Auch das Ziel, mit geringeren Produktionskapazitäten eine höhere Effizienz zu erreichen, bleibt bislang unerfüllt. Kuba steht damit vor einer zentralen wirtschaftlichen Herausforderung: Ohne grundlegende Investitionen, Modernisierung der Infrastruktur und eine verlässliche Versorgung mit Betriebsmitteln dürfte sich der Niedergang der Zuckerwirtschaft weiter fortsetzen. Auch eine vorsichtige Öffnung gegenüber ausländischen Investoren könnte eine Option sein – bislang scheut die Regierung jedoch tiefgreifende marktwirtschaftliche Reformen in diesem Sektor. Für die kubanische Bevölkerung und die Wirtschaft insgesamt bedeutet der Einbruch nicht nur den Verlust eines Traditionszweigs, sondern auch eine zusätzliche Belastung in einer ohnehin krisengeschüttelten Phase. Sollte die Entwicklung anhalten, steht nicht nur die Versorgung mit Zucker, sondern auch die internationale Positionierung Kubas als Herkunftsland eines weltweit anerkannten Premiumprodukts auf dem Spiel. Die Frage, wie lange Kuba noch Rum mit dem Herkunftssiegel „Hecho en Cuba“ produzieren kann, ist längst mehr als eine symbolische.
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Text: Leon Latozke
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