Neues aus Kuba
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Trotz einer offiziellen Lohnerhöhung von über 25 Prozent im Jahr 2024 bleibt das durchschnittliche Gehalt staatlicher Beschäftigter in Kuba deutlich unter dem Existenzminimum. Wie aktuelle Daten der kubanischen Statistikbehörde zeigen, reichen die Einkommen nicht aus, um die Grundversorgung zu decken – insbesondere angesichts hoher Preise auf dem informellen Markt.
Die Einkommen der rund drei Millionen Staatsangestellten in Kuba sind im Jahr 2024 laut offiziellen Angaben um 25,6 Prozent gestiegen. Trotz dieses nominalen Zuwachses liegt das durchschnittliche Gehalt jedoch weiterhin deutlich unterhalb der Kosten für die grundlegende Versorgung eines Haushalts. Damit bleibt die soziale und wirtschaftliche Lage vieler Kubaner angespannt – eine Entwicklung, die sich seit Jahren trotz einzelner Reformen und Ankündigungen fortsetzt.
Durchschnittsgehalt deutlich unterhalb der Grundbedürfnisse Wie die spanische Nachrichtenagentur EFE unter Bezug auf dem am 18. April veröffentlichten Jahresbericht der kubanischen Statistikbehörde ONEI (Oficina Nacional de Estadística e Información) berichtet, betrug das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt der Staatsangestellten im vergangenen Jahr 5.839 Pesos, was nach offiziellem Wechselkurs umgerechnet 48,60 US-Dollar entspricht. Der Anstieg um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr gleicht damit lediglich die offizielle Inflation von 24,88 Prozent aus – und verbessert die Kaufkraft rein rechnerisch nur minimal. Ein genauerer Blick auf die realen Lebenshaltungskosten offenbart jedoch die Diskrepanz zwischen Löhnen und Preisen: Laut Berechnungen des unabhängigen Ökonomen Omar Everleny Pérez Villanueva, der sich dabei auf offizielle Daten stützt, müssten zwei Personen zusammen mehr als das Vierfache des durchschnittlichen Monatseinkommens aufbringen, um eine grundlegende Nahrungsmittelversorgung mit 17 Produkten abzudecken – selbst unter Berücksichtigung der nach wie vor existierenden Rationierungssysteme. Dieser Grundnahrungsmittelkorb canasta básica umfasst dabei sowohl subventionierte als auch frei verkäufliche Waren. Noch dramatischer stellt sich die Situation dar, wenn man die Preisentwicklung auf dem weit verbreiteten informellen Markt berücksichtigt. Dieser ist im Alltag vieler Kubaner von zentraler Bedeutung, da der staatlich organisierte Einzelhandel in weiten Teilen unzureichend ausgestattet ist. Während sich die offizielle Teuerungsrate knapp unter 25 Prozent hielt, gehen unabhängige Experten davon aus, dass die Inflation auf dem informellen Markt dreistellige Werte erreicht. So kostet etwa ein Karton mit 30 Eiern in privaten Geschäften in Havanna bis zu 3.500 Pesos – umgerechnet knapp 30 US-Dollar zum offiziellen Kurs. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeitnehmers in kommunalen Dienstleistungen beträgt gerade einmal 4.033 Pesos. Ungleichheit zwischen Sektoren und Regionen Der Lohnanstieg ist zudem ungleichmäßig verteilt. Die höchsten Durchschnittsgehälter wurden im Bereich der Versorgung mit Gas, Wasser und Strom gezahlt – mit monatlich 9.317 Pesos (77,60 USD) deutlich über dem landesweiten Durchschnitt. Am unteren Ende der Skala liegen Beschäftigte in Bereichen wie kommunale Dienstleistungen oder Tätigkeiten in gemeinnützigen Organisationen. Auch klassische staatliche Kernbereiche wie das Gesundheits- und Bildungswesen schneiden schlecht ab: Ärzte und Pflegepersonal kamen auf ein Durchschnittsgehalt von 6.154 Pesos (51,20 USD), Lehrkräfte auf 5.451 Pesos (45,40 USD). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der regionalen Verteilung. Die höchsten Löhne wurden wie gewohnt in der Hauptstadt Havanna verzeichnet, wo ein monatliches Durchschnittseinkommen von 6.449 Pesos (53,70 USD) erzielt wurde. In Santiago de Cuba, der zweitgrößten Stadt des Landes, lag der Wert mit 5.123 Pesos (42,70 USD) deutlich darunter. Ökonomische Dauerkrise verschärft soziale Ungleichheit Die strukturelle wirtschaftliche Krise des Landes, die sich in den vergangenen fünf Jahren durch eine Kombination aus internen Fehlentscheidungen und externem Druck weiter verschärft hat, bildet den Hintergrund dieser Entwicklungen. Die COVID-19-Pandemie, die erneute Verschärfung der US-Sanktionen unter der Regierung Trump und anhaltende Schwächen in der eigenen Wirtschafts- und Währungspolitik haben die Situation zusätzlich belastet. Die Folge ist eine Kombination aus Mangelwirtschaft, einer wachsenden informellen Ökonomie und einer teilweisen Rückkehr zur Dollarisierung, bei der viele Güter des täglichen Bedarfs nur noch in Devisen erhältlich sind. Während die Regierung versucht, durch Gehaltserhöhungen eine gewisse Entlastung zu schaffen, verpufft deren Wirkung angesichts der anhaltenden Inflation und der wachsenden Kluft zwischen offiziellem und informellem Sektor. Auch der Versuch, durch differenzierte Lohnsteigerungen in strategisch wichtigen Bereichen wie der Energieversorgung oder in urbanen Zentren gezielte Anreize zu setzen, zeigt bislang kaum Wirkung im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Perspektive ungewiss Die Anhebung der staatlichen Löhne stellt somit keinen grundlegenden Wendepunkt dar, sondern markiert eher einen weiteren Versuch, die Auswirkungen der anhaltenden wirtschaftlichen Schieflage abzufedern. Solange jedoch kein struktureller Wandel erfolgt – etwa durch eine stärkere Integration des informellen Marktes, eine Reform des Wechselkurssystems oder eine Verbesserung der Versorgungslage – dürfte sich an der prekären Situation weiter Teile der Bevölkerung wenig ändern. Die Bevölkerung reagiert auf diese Dauerkrise zunehmend mit Resignation oder Auswanderung. Die weiterhin hohe Zahl von Ausreisewilligen, vor allem in Richtung der Vereinigten Staaten, sowie das zunehmende Engagement vieler Haushalte in Devisengeschäften, Geldüberweisungen aus dem Ausland und inoffiziellen Handelsbeziehungen, verdeutlicht das schwindende Vertrauen in die Tragfähigkeit des gegenwärtigen Systems. Angesichts der Dynamik der wirtschaftlichen Misere wirkt die Lohnerhöhung von 2024 wie ein Tropfen auf den heißen Stein – ein symbolischer Akt staatlicher Handlungsfähigkeit, dem jedoch bislang die strukturelle Substanz fehlt.
Quellen: ONEI/X (https://t1p.de/cv06y), EFE (https://t1p.de/4gyuh)
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Text: Leon Latozke
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