Neues aus Kuba
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Vor zehn Jahren sorgte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba für weltweites Aufsehen. Der damalige US-Präsident Barack Obama und der kubanische Präsident Raúl Castro brachten damit Hoffnung auf eine neue Ära der Annäherung und wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Doch ein Jahrzehnt später erlebt Kuba eine der schwersten Krisen seit der Revolution von 1959. Ein Bericht der New York Times zeigt die dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen auf der Insel.
Historischer Wendepunkt und verpasste Chancen Als 2014 die Eiszeit zwischen Washington und Havanna endete, stand das Land vor einer potenziellen Wende. Die Lockerungen der US-Politik ermöglichten eine beispiellose Welle von Investitionen und Tourismus. Amerikanische Unternehmen wie Google, AT&T und Major League Baseball schlossen Verträge, und Havanna wurde zu einem Magneten für US-Touristen. Doch diese Phase der Öffnung war nur von kurzer Dauer. Schon 2017 begannen die politischen und wirtschaftlichen Rückschläge: Die US-Regierung unter Donald Trump verschärfte die Sanktionen, reduzierte die diplomatische Präsenz und setzte Kuba erneut auf die Liste der staatlichen Sponsoren von Terrorismus. Zugleich verstärkten interne Misswirtschaft und die Pandemie die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Die Folge: Ein Land, das einst von der Aufbruchsstimmung getragen wurde, sieht sich heute mit massiven wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Herausforderungen konfrontiert. Kuba in der tiefsten Rezession seit 1959 Die wirtschaftliche Lage Kubas ist heute schlechter als in den 1990er-Jahren, als der Zusammenbruch der Sowjetunion den Inselstaat in eine schwere Versorgungskrise stürzte. Viele Beobachter, darunter Experten und Regierungsvertreter, sprechen von der tiefsten Krise seit der Revolution. Stromausfälle, die oft tagelang andauern, gehören zum Alltag. Die staatlich kontrollierte Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist stark eingeschränkt; Milch, Reis und Bohnen erreichen die Geschäfte oft verspätet oder gar nicht. Die medizinische Versorgung, einst ein Aushängeschild des Regimes, leidet unter akutem Medikamentenmangel. Selbst in der Hauptstadt Havanna stehen die Menschen stundenlang vor Apotheken an – nur um festzustellen, dass viele Medikamente bereits vergriffen sind. Die Bevölkerung hat darauf reagiert: Laut offiziellen Angaben haben seit Beginn der Pandemie über eine Million Kubaner das Land verlassen. Mehr als 675.000 von ihnen suchten ihr Glück in den USA. Tourismus: Ein fast erloschener Hoffnungsträger Der Tourismus, lange ein zentraler Wirtschaftsfaktor, hat sich seit 2017 fast halbiert. Die verschärften US-Sanktionen, eingeschränkte Reisemöglichkeiten und die Pandemie trugen zu diesem Rückgang bei. Viele private Unternehmen, die durch die vorsichtige wirtschaftliche Öffnung der kubanischen Regierung entstanden waren, kämpfen ums Überleben. Luis Manuel Pérez, ein ehemaliger Ingenieur und heute Fahrer eines Oldtimers in Havanna, beschreibt die dramatische Veränderung: „Vor zehn Jahren hatte ich täglich mehrere Kunden. Heute kann ich froh sein, wenn ich überhaupt einen finde.“ Politische Verstrickungen und gescheiterte Reformen Auch politisch gerät Kuba zunehmend unter Druck. Die Regierung unter Miguel Díaz-Canel sieht sich wachsender Kritik aus der Bevölkerung ausgesetzt, während internationale Sanktionen und die mangelnde Bereitschaft zu Reformen das Regime weiter isolieren. Die kurzen Jahre der Annäherung unter Obama hatten zu einer vorsichtigen Öffnung geführt: Der Zugang zum Internet wurde ausgeweitet, und private Unternehmen durften in begrenztem Umfang operieren. Doch die Reformen waren von bürokratischen Hürden geprägt und schufen keine nachhaltige Basis für wirtschaftliches Wachstum. Donald Trumps Rückkehr zu einer harten Kuba-Politik und Joe Bidens Entscheidung, wesentliche Sanktionen beizubehalten, haben die wirtschaftliche Lage weiter verschärft. Die Biden-Administration hob zwar die Obergrenze für Geldüberweisungen auf und erlaubte mehr Flüge, doch grundlegende Handelserleichterungen blieben aus. Soziale Verwerfungen und wachsender Unmut Die Krise hat das soziale Gefüge des Landes tief erschüttert. Berichte über zunehmende Kriminalität und soziale Spannungen nehmen zu. „Es gibt kein Leben hier“, sagt Rubén Salazar, ein Einwohner Havannas, resigniert. Viele Kubaner sehen kaum noch Hoffnung auf eine Besserung. Arianna R. Delgado, eine Make-up-Künstlerin, die kürzlich nach Miami emigrierte, äußert sich drastisch: „Kuba war immer schwierig, aber jetzt ist es ein Konzentrationslager. Die Welt muss das wissen.“ Die kubanische Regierung macht weiterhin die USA für die Missstände verantwortlich. Doch viele Bürger sind der offiziellen Erklärungen überdrüssig. Sie fordern tiefgreifende Reformen, die über kosmetische Maßnahmen hinausgehen. Ein Land am Scheideweg Sechseinhalb Jahrzehnte nach der Revolution steht Kuba an einem entscheidenden Punkt. Die aktuellen Herausforderungen könnten das Land in eine noch tiefere soziale und wirtschaftliche Krise stürzen – oder zu einem Wendepunkt führen, an dem echte Reformen und ein Dialog mit der internationalen Gemeinschaft eingeleitet werden. Ob das Regierung diesen Schritt wagt, bleibt ungewiss. Doch die Zeit für Halbherzigkeiten scheint abgelaufen.
Quelle: NYT (https://t1p.de/2lgui)
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Text: Leon Latozke
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