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Acht unabhängige kubanische Ökonomen haben die Ursachen der schweren Wirtschaftskrise Kubas analysiert. Sie sehen die US-Sanktionen zwar als Belastung, jedoch nicht als Hauptgrund für den Niedergang.
12.10.2025 08:28 Uhr
Abbildung: Warum Kubas Wirtschaft nicht anspringt. Das KI-generierte Symbolbild zeigt keine reale Szene.
Acht der bekanntesten unabhängigen kubanischen Ökonomen halten die US-Sanktionen zwar für eine erhebliche Belastung der Wirtschaft der Karibikinsel, aber nicht für die Hauptursache der schweren Krise, in der das Land seit Jahren steckt. Die Fachleute widersprechen damit der offiziellen Linie der kubanischen Regierung, die das seit mehr als sechs Jahrzehnten bestehende Embargo regelmäßig als entscheidenden Grund für den wirtschaftlichen Niedergang nennt.
Uneinigkeit über die Verantwortung Das Thema erhält neue Aufmerksamkeit, weil in den kommenden Tagen die UN-Generalversammlung erneut über eine Resolution abstimmen wird, mit der Havanna die Aufhebung der US-Sanktionen fordert. Nach Regierungsangaben belaufen sich die Schäden auf etwa 20 Millionen US-Dollar pro Tag, eine Zahl, deren Grundlage jedoch unklar bleibt. Wie EFE berichtet, ist die Ermittlung des tatsächlichen Schadens kaum möglich, da das komplexe Sanktionssystem aus einem Geflecht von politischen, rechtlichen und finanziellen Entscheidungen besteht, das sich über Jahrzehnte entwickelt hat. Die in New York lehrende Ökonomin Tamarys Bahamonde erklärte gegenüber EFE, dass die Sanktionen Kuba nicht nur von internationalen Institutionen wie der Weltbank ausschließen, sondern das Land auch auf der US-Liste der Staaten halten, die den Terrorismus unterstützen. Beides schränke den Zugang zu internationalen Krediten ein und verursache zusätzliche Kosten. Gleichzeitig betonen die befragten Fachleute, dass die kubanische Regierung trotz dieser Einschränkungen über erhebliche Spielräume verfüge, die sie kaum nutze. Die Verantwortung für den wirtschaftlichen Niedergang liege daher nicht allein in Washington, sondern vor allem in Havanna selbst. Interne Ursachen im Mittelpunkt Mehrere der Ökonomen, darunter Mauricio de Miranda von der Pontificia Universidad Javeriana de Cali, räumen ein, dass die Sanktionen vor allem die Bevölkerung treffen. Zugleich kritisiert de Miranda, dass die kubanische Regierung mit undurchsichtigen und kaum überprüfbaren Zahlen operiere. Die gegenwärtige Krise sei vor allem „das Ergebnis struktureller Schwächen eines ineffizienten Systems“, das die politische Führung nicht reformieren wolle. Auch Pedro Monreal betont gegenüber EFE, dass die Sanktionen zwar spürbare Folgen hätten, die eigentlichen Ursachen aber tiefer lägen: in der ineffizienten zentralen Planung, den Fehlinvestitionen des Staates und der Unfähigkeit, produktive Kräfte zu entfalten. Der Forscher Alejandro Miguel Hayes vom Institut für Karibikstudien sieht die Verantwortung vollständig bei der Regierung. Sie habe, so Hayes, ausreichend Mittel und Handlungsmöglichkeiten, um die Lage zu verbessern, nutze sie aber nicht. Ricardo Torres von der American University in Washington bezeichnete die Sanktionen als „wichtige äußere Beschränkung“, stellte jedoch klar, dass sie „nicht der entscheidende Faktor“ für die Krise seien. Der ebenfalls in Kolumbien lehrende Pavel Vidal spricht von einem doppelten Hemmnis: einem „äußeren Blockadeeffekt“ durch die Sanktionen und einem „inneren Blockadeeffekt“ durch das politische System selbst. Die kubanische Wirtschaft sei vor allem in Bereichen wie Tourismus und Geldüberweisungen vom Ausland abhängig, während der Außenhandel nur eine untergeordnete Rolle spiele. Der Ökonom Omar Everleny, Professor an der Universität Havanna, räumt zwar ein, dass das US-Embargo erhebliche wirtschaftliche Schäden verursache, ergänzt jedoch, dass „vieles auch im Inneren getan werden könnte“, um die Lage zu stabilisieren. Strukturelle Fehlentwicklungen Die meisten Ökonomen sehen im politisch-ökonomischen System Kubas die Hauptursache der Krise. Hayes spricht von einer „Logik, die optimale Entscheidungen verhindert“. Monreal nennt die Planwirtschaft „den zentralen Pfeiler eines Modells, das nicht funktioniert“. Bahamonde beschreibt die Entscheidungsstrukturen als typisch für ein „bürokratisch-sozialistisches System“, das Reformen nur zögerlich, unvollständig und widersprüchlich umsetzt. Diese innere Struktur führe laut EFE zu einem Kreislauf aus Krise, Reform und Gegenreform, der bislang keine nachhaltigen Verbesserungen gebracht habe. Überregulierung und mangelnde Rechtssicherheit schreckten zudem ausländische Investoren ab. Torres verweist auf zusätzliche Belastungen durch äußere Einflüsse wie die COVID-19-Pandemie und die Verschärfung der US-Sanktionen unter Donald Trump, betont aber, dass der Kern der Misere in der zentral gesteuerten Wirtschaftspolitik liege. De Miranda sieht auch das politische System selbst als Ursache: Der autoritäre und autokratische Charakter der kubanischen Führung verhindere nicht nur wirtschaftliche Innovationen, sondern habe auch viele der sozialen Errungenschaften der Revolution wieder aufgezehrt. Fehlentscheidungen und mangelnde Bereitschaft zu marktwirtschaftlichen Reformen hätten die Krise weiter verschärft. Der kubanisch-amerikanische Ökonom Carlos Martínez bezeichnet die zentralisierte Planung, die umfassenden Verstaatlichungen und die Einschränkungen privater Initiative als die drei wesentlichen Faktoren, die die kubanische Wirtschaft lähmen. Fazit Nach Einschätzung der von EFE befragten Ökonomen sind die US-Sanktionen zweifellos ein erhebliches Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung Kubas. Doch die tiefer liegenden Ursachen liegen nach ihrer Analyse im politischen und wirtschaftlichen System der Insel selbst. Fehlende Reformen, bürokratische Blockaden und ein überholtes Wirtschaftsmodell hätten die Krise verschärft – lange bevor die jüngsten Sanktionen in Kraft traten. Während Havanna auf internationaler Bühne erneut für ein Ende des Embargos wirbt, sehen viele Fachleute den Weg aus der Krise in erster Linie im Inneren Kubas: in strukturellen Reformen, mehr Eigenverantwortung und einer Öffnung gegenüber privatwirtschaftlicher Initiative.
Quelle: EFE (https://t1p.de/t8ukj)
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Text: Leon Latozke
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