Neues aus Kuba
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In Bayamo und weiteren Städten Kubas protestieren erneut Dutzende Menschen gegen stundenlange Stromausfälle und akute Versorgungsengpässe. Ausgelöst durch anhaltende Stromabschaltungen von bis zu 30 Stunden und mangelnde Lebensmittelversorgung, wachsen Frust und Verzweiflung in der Bevölkerung.
In Bayamo, einer traditionsreichen Stadt im Osten Kubas, haben sich in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen zu spontanen Protesten versammelt. Auslöser der Kundgebungen sind die dramatisch verschärften Lebensbedingungen: Stromausfälle von bis zu 30 Stunden am Stück, fehlende Grundnahrungsmittel und ein über Jahre hinweg gewachsener Frust über die andauernde Wirtschaftskrise. Es ist das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass in verschiedenen Regionen Kubas Menschen auf die Straße gehen – ein deutliches Zeichen für die zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Laut übereinstimmenden Medienberichten und Augenzeugenberichten begannen die jüngsten Proteste in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Stadtteil Latinoamericano von Bayamo. Am folgenden Abend weiteten sie sich auf den Reparto Rosa La Bayamesa aus, wo Dutzende Anwohner in völliger Dunkelheit durch die Straßen zogen, mit Kochtöpfen lärmten und lautstark Elektrizität und Lebensmittel forderten. Die Demonstrationen blieben weitgehend friedlich. Zwar waren Einheiten der Nationalen Revolutionspolizei und Angehörige der Streitkräfte vor Ort, es kam jedoch weder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen noch zu Festnahmen. Der Marsch wurde an mehreren Stellen gestoppt, unter anderem an einem Brückenzugang zur Innenstadt. In sozialen Netzwerken kursierende, bislang nicht verifizierte Videos zeigen die Demonstranten in absoluter Dunkelheit. Die örtliche Parteifunktionärin Yanetsy Rodríguez, erste Sekretärin des Kommunistischen Partei Kubas (PCC) in der Provinz Granma, sprach auf dem staatlichen Sender CNC TV Granma von legitimen „Reklamationen“ der Bevölkerung und betonte in einem Facebook-Post die Dialogbereitschaft der Behörden. Ihre Aussagen stehen im Kontrast zur repressiven Strategie, die kubanische Behörden in der Vergangenheit häufig angewendet haben. Dennoch wurde kurz nach Beginn der Proteste in Bayamo die Internetverbindung stadtweit gekappt – eine gängige Praxis, um Berichterstattung und Mobilisierung zu erschweren. Die Stadt Bayamo, in der 1868 erstmals die kubanische Nationalhymne gesungen wurde, hat symbolischen Charakter für den Widerstandsgeist der kubanischen Bevölkerung. Viele sehen in den Protesten eine Fortsetzung der historischen Unzufriedenheit, wie sie bereits am 11. Juli 2021, bei den größten regierungskritischen Protesten seit Jahrzehnten, zum Ausdruck kam. Auch im März 2024 war es zu Demonstrationen in Santiago de Cuba gekommen. Der aktuelle Protest steht somit in einer Reihe ähnlicher Ereignisse, die sich regelmäßig an den katastrophalen Lebensbedingungen entzünden. Kuba leidet seit Jahren unter einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Versorgungskrise. Die Ursachen sind vielfältig: Der Zusammenbruch des Tourismus während der Corona-Pandemie, das Festhalten an ineffizienten staatlichen Wirtschaftsmodellen, das Scheitern der 2021 eingeführten Währungsreform und das fortdauernde US-Embargo haben strukturelle Schwächen des Systems verschärft. Hinzu kommen die rapide Inflation, der Zerfall des Peso auf dem informellen Markt, eine zunehmende Dollarabhängigkeit und – besonders dramatisch – ein völliger Einbruch der Energieversorgung. Die Energiekrise hat sich in den letzten Monaten nochmals verschärft. Grund dafür sind fehlende Devisen für Treibstoffimporte, marode Kraftwerke sowjetischer Bauart und ein chronischer Mangel an Investitionen. Bereits im Februar 2025 überschritt die Stromausfallquote landesweit 57 Prozent – mehr als die Hälfte der Bevölkerung war damit gleichzeitig ohne Strom. Allein in den letzten acht Monaten kam es zu vier landesweiten Blackouts, deren Auswirkungen das öffentliche Leben über Tage hinweg lähmten. Besonders betroffen sind die östlichen Provinzen, wo das Netz am instabilsten ist. Die anhaltenden Stromausfälle haben direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben: Lebensmittel verderben in Kühlschränken, Kinder bleiben dem Unterricht fern, das Schlafen in der tropischen Hitze wird zur Tortur. Die staatlich subventionierten Lebensmittelrationen sind auf ein Minimum geschrumpft, und der Zugang zu Trinkwasser und Medikamenten ist vielerorts prekär. Eine Einwohnerin Bayamos spricht gegenüber EFE von „Missständen, die zu viel geworden sind“. Dass es zu erneuten Protesten kommt, sei kein Zufall, sondern Ausdruck tief empfundener Verzweiflung. Auch in anderen Regionen Kubas – darunter Jabaquito, Manzanillo, Santiago de Cuba und Pinar del Río – wurden in den letzten Tagen kleinere Demonstrationen gemeldet. Festnahmen wurden bislang nicht bestätigt, doch das politische Klima bleibt angespannt. Die kubanische Regierung vermeidet bislang offene Konfrontationen, geht jedoch weiterhin repressiv gegen die Informationsverbreitung vor. Der Zugang zu unabhängigen Informationen bleibt eingeschränkt, kritische Stimmen riskieren strafrechtliche Verfolgung. Die sozialen Spannungen könnten sich in den kommenden Wochen weiter verschärfen. Solange sich weder die Energieversorgung stabilisiert noch die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln verbessert, bleibt die Lage auf der Insel explosiv. Experten warnen, dass die wiederholten Proteste ein Vorzeichen für eine größere Destabilisierung sein könnten – sofern die Regierung keine substantiellen Reformen einleitet oder kurzfristige Entlastungen schafft. Insgesamt zeichnen die Ereignisse in Bayamo und anderen Landesteilen ein düsteres Bild von der aktuellen Lage in Kuba: Ein Land in chronischer Krise, dessen Bevölkerung zunehmend bereit ist, trotz Repressionen auf die Straße zu gehen – getrieben von Hunger, Dunkelheit und dem Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein.
Quellen: EFE (https://t1p.de/d52fr, https://t1p.de/p0237)
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Text: Leon Latozke
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