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Kunden beobachten, wie ein Roboter ihr Essen im Restaurant „Doña Alicia“ in Havanna bringt, Mittwoch, 15. April 2025. (Bildquelle: The Gazette © Ramon Esoinosa/AP)
Trotz anhaltender Stromausfälle, eingeschränktem Internetzugang und wirtschaftlicher Engpässe setzt das Restaurant Doña Alicia in Havanna auf digitale Innovation: Mit Touchscreen-Menüs, sprachgesteuerten Systemen und einer Roboter-Bedienung hebt sich das Lokal deutlich vom kubanischen Alltag ab.
Havanna ist nicht gerade als Zentrum technologischer Innovation bekannt. Häufige Stromausfälle, eine mangelhafte Internetversorgung und eine veraltete Infrastruktur prägen das Alltagsbild der kubanischen Hauptstadt. Umso erstaunlicher wirkt, was Besucher im Restaurant Doña Alicia erleben: Digitale Speisekarten, sprachgesteuerte Assistenzsysteme, sensorgesteuerte Sanitäranlagen – und eine Roboter-Kellnerin, die Speisen an den Tisch bringt. In einem Umfeld, in dem viele Cafés und Restaurants noch mit Papiermenüs und Handschrift arbeiten, ist das Lokal ein technologischer Ausreißer.
Wie die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtet, ist es genau dieser Kontrast zur landesüblichen Realität, der das Restaurant zu einem Gesprächsthema macht. Die 64-jährige Staatsangestellte Sonia Pérez, eine der Gäste, beschreibt ihren Besuch als „wie in einem Zeichentrickfilm“. Für sie sei das Lokal ein Beweis dafür, wie groß die technologische Lücke in Kuba sei. Das Doña Alicia wurde vor sieben Jahren eröffnet und hat seither schrittweise technische Neuerungen eingeführt. Zunächst kamen Tablets zum Einsatz, mit denen Gäste ihre Bestellungen aufgeben konnten. Es folgten digitale Sprachassistenten auf Alexa-Basis, später eine vollständig digitale Menüführung an den Tischen. Höhepunkt der Entwicklung ist die Einführung ein Roboter, der nach der Großmutter der Inhaberin benannt wurde: „Doña Alicia“ übernimmt einen Teil des Services und bringt Speisen zu den Gästen. Die angebotenen Gerichte sind klassisch kubanisch – etwa Schweinesteak mit Beilagen, Pasta oder Süßspeisen. Bestellt wird über Touchscreens an den Tischen. Für Gäste, die sich mit der digitalen Bedienung schwer tun, stehen weiterhin menschliche Bedienungen zur Verfügung. An der Bar werden Getränke wie Mojitos oder Daiquiris frisch gemixt – ebenfalls auf Bestellung über die digitalen Terminals. Die Betreiber setzen auf ein hybrides Modell: technische Innovation in Kombination mit menschlichem Service. Für Restaurantleiter Yadiel Hernández steht dabei nicht allein die Effizienz im Vordergrund, sondern das Kundenerlebnis. Gegenüber der AP erklärt er: „Wir haben Veränderungen bemerkt. Sowohl Kinder als auch Erwachsene finden es spannend, wenn ein Roboter das Essen bringt. Es ist eine neue Erfahrung.“ Doch die technische Ausstattung des Restaurants ist nicht nur ein Beweis für Innovationsfreude, sondern auch Ausdruck erheblicher Anstrengungen. Kuba leidet unter unzuverlässiger Stromversorgung, häufigen Internetausfällen und einem überlasteten Mobilfunknetz. Erst seit 2018 ist mobiles Internet auf der Insel flächendeckend verfügbar. Auch heute noch gehören Netzunterbrechungen zum Alltag – nicht selten infolge der chronischen Energiekrise, die sich durch alle Lebensbereiche zieht. Dass das Doña Alicia unter solchen Bedingungen reibungslos funktioniert, ist alles andere als selbstverständlich. Ein weiteres Hindernis liegt in der ökonomischen Realität des Landes. Zwar bewegen sich die Preise des Restaurants laut AP im Rahmen anderer privater Gastrobetriebe auf der Insel. Doch für viele Durchschnittskubaner sind solche Angebote nicht erschwinglich. Die anhaltende Inflation, der niedrige Lohnstandard und die Devisenknappheit machen das Doña Alicia für große Teile der Bevölkerung zu einem Luxus, den sie sich kaum leisten können. Vielmehr richtet sich das Angebot an wohlhabendere Gäste – darunter viele aus dem Ausland oder Kubaner mit Zugang zu Devisen. Damit wird das Restaurant auch zum Symbol für die wachsende soziale Spaltung im Land. Während ein kleiner Teil der Bevölkerung Zugang zu modernen Technologien und Konsumangeboten erhält, bleibt der Großteil von solchen Entwicklungen weitgehend ausgeschlossen. Die Digitalisierung, so sie denn stattfindet, ist selektiv. Gleichwohl zeigt das Doña Alicia, dass unternehmerische Kreativität und technisches Geschick in der Lage sind, unter schwierigen Rahmenbedingungen innovative Lösungen zu schaffen. Die kontaktlosen Sanitäranlagen etwa, die per Bewegungssensor gesteuert werden, sind in Kuba eine Seltenheit – und gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie das Restaurant Hygiene- und Komfortstandards setzt, die selbst über die Pandemie hinaus Bestand haben dürften. Ob das Modell Schule machen kann, ist fraglich. Die strukturellen Probleme der kubanischen Wirtschaft, die staatlichen Restriktionen und die technische Rückständigkeit dürften ähnliche Projekte auf absehbare Zeit erschweren. Dennoch macht der Fall des Doña Alicia deutlich, dass Fortschritt auf der Insel nicht ausgeschlossen ist – wenn auch nur punktuell. Wie die AP berichtet, ist das Lokal damit weniger ein Vorbote umfassender Modernisierung als vielmehr ein Einzelfall, der den bestehenden Widerspruch zwischen technologischem Potenzial und struktureller Realität sichtbar macht. Während große Teile des Landes im digitalen Schatten verharren, leuchtet im Herzen Havannas ein Ort auf, der zeigt, was möglich wäre.
Quelle: AP (https://t1p.de/znndv)
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Text: Leon Latozke
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