Neues aus Kuba
Aktuelle Nachrichten und Meldungen, Analysen und Hintergrundinformationen
![]() ![]()
Stromausfälle und Lebensmittelknappheit verschärfen die Krise auf Kuba. Im Interview mit dem SPIEGEL schildert ein Journalist aus Havanna die verheerenden Auswirkungen auf das tägliche Leben: „Es gehts ums pure Überleben".
Protest gegen den Stromausfall in Havanna: Viele müssen hungern (Bildquelle: SPIEGEL © Norlys Perez / REUTERS)
Die jüngsten, nahezu ununterbrochenen Stromausfälle auf Kuba haben die ohnehin angespannte Lage der Bevölkerung weiter verschärft. Im Interview mit dem SPIEGEL schildert Boris González Arenas, ein Journalist und Menschenrechtsaktivist aus Havanna, die verheerenden Auswirkungen der Blackouts und die Herausforderungen, mit denen die Menschen auf der Insel konfrontiert sind.
González Arenas berichtet vom 67-stündigen Stromausfall: „Am Montagmorgen um sechs ist der Strom wiedergekommen, kurz nach neun ist er wieder ausgefallen“, erzählt er und fügt hinzu, dass Morgens auch das Internet funktionierte. Während er in der Hauptstadt lebt, wo die Situation vergleichsweise besser ist, haben die Menschen im Landesinneren seit Monaten höchstens drei Stunden Strom pro Tag. Die ständigen Versorgungsengpässe führen dazu, dass viele Kubaner seit langem Lebensmittel im Gefrierfach lagern. „Stell dir vor, du hast vor einer Woche ein Schwein geschlachtet und das Fleisch eingefroren: Jetzt taut alles auf. Entweder vergammelt es oder die Leute müssen die wenigen Lebensmittel, die sie haben, sofort kochen und verteilen“, schildert er die verzweifelte Situation. Die fehlende Elektrizität hat nicht nur den Betrieb von Kühlschränken unmöglich gemacht, sondern auch das Kochen und die Zubereitung von Lebensmitteln stark eingeschränkt. Die Nahrungsmittelversorgung ist seit Jahren prekär. Viele Menschen suchen auf den Straßen nach Essbarem oder sind gezwungen, sich mit extrem einfachen Mahlzeiten wie Reis und Kartoffelpüree zu begnügen. „Das ist ein großes Problem“, betont González Arenas. „Du kannst nicht einfach in den Supermarkt gehen, wenn dir etwas fehlt.“ Er weist darauf hin, dass die Regierung die Landwirtschaft nicht unterstützt und Bauern keine Möglichkeiten geboten werden, um erfolgreich zu wirtschaften. „Warum darf ein Bauer nicht genug Land besitzen, um erfolgreich zu wirtschaften? Warum ist sein Eigentum nicht geschützt?“ Die soziale Unruhe, die in der Vergangenheit in Kuba ausbrach, könnte wieder aufleben, da die Menschen aufgrund der grundlegenden Mangelversorgung an Lebensmitteln und Wasser auf die Straße gehen. González Arenas beschreibt, dass „gestern die Leute bei mir im Viertel aus Protest mit Töpfen geklappert“ haben. „In einigen Städten im Landesinneren gehen sie auf die Straße. Auch in Havanna soll es schon zu Kundgebungen gekommen sein.“ Er erklärt weiter: „Dass es jetzt dennoch Proteste gibt, liegt daran, dass es erstmals ums pure Überleben geht. Es geht um Grundbedürfnisse, um Trinkwasser und ein Minimum an Lebensmitteln.“ Trotz dieser Proteste bleibt die Angst vor staatlicher Repression stark. „Seit 60 Jahren leben wir in einem System der Unterdrückung. Viele haben Angst“, erklärt er. Zusätzlich zu den Stromausfällen sieht sich Kuba nun auch den Folgen von Hurrikan Oscar ausgesetzt, der die Situation in den betroffenen Regionen weiter verschärfen könnte. González Arenas macht deutlich, dass die Menschen, die bereits unter extremen Bedingungen leben, in ihrer Notlage kaum zusätzliche Belastungen ertragen können. „Der Hurrikan trifft vor allem die Provinz Guantánamo im Osten der Insel. Er ist zwar nicht sehr stark, aber natürlich verschlimmert er die Krise dort“, warnt er. Obwohl González Arenas glaubt, dass die Lage bei einer Rückkehr des Stroms kurzfristig besser werden könnte, ist er sich der tiefen gesellschaftlichen Probleme bewusst. „Wir werden keine wochenlangen sozialen Aufstände erleben, das gab es in der Geschichte des Castro-Regimes noch nie. Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt werden, gehst du nicht auf die Straße“, erklärt er. González Arenas fasst die Lage zusammen: „Wir sind eingeschlossen wie in einer Schublade.“ Die grundlegenden Bedürfnisse und das Überleben stehen für die Kubaner an erster Stelle, während die Repression und die Mängel des Systems über ihnen lasten. „Die Polizei ist in den Kasernen, und die Militärs, die gegen Demonstranten vorgehen, sind zivil gekleidet. Das macht das kommunistische Regime gern: Militärs verkleiden sich als Zivilisten, damit man es nicht bemerkt, wenn Soldaten Zivilisten verprügeln“, sagt er. Die alltäglichen Herausforderungen in Kuba sind gravierend. Viele sind nicht nur durch die Blackouts eingeschränkt, sondern auch durch die zunehmende Kriminalität. „Die nimmt seit Jahren zu“, warnt González Arenas. „Die Blackouts sind besonders kritisch. Wenn nicht gerade Vollmond ist, siehst du keine vier Meter weit. Die Leute gehen deshalb früh nach Hause.“ Die bittere Realität der Kubaner wird durch die Worte González Arenas’ deutlich: „Ein Teller mit Essen oder ein Liter Trinkwasser machen mich in diesem Moment glücklich. Das hat Vorrang vor allem anderen.“ In einer Zeit, in der grundlegende menschliche Bedürfnisse nicht einmal erfüllt werden, bleibt der Kampf ums Überleben die zentrale Herausforderung für die Bevölkerung.
Quelle: SPIEGEL (https://t1p.de/98pcf)
Anzeige (G2)
|
|
Letzte Meldungen
Text: Leon Latozke
Anzeige (G1)
(adsbygoogle = window.adsbygoogle || []).push({});
0 Kommentare
Ihr Kommentar wird veröffentlicht, sobald er genehmigt ist.
Antwort hinterlassen |
Dossiers
Mediathek
Anzeige (M2) Anzeige (G4) Archiv
nach Monaten
Mai 2025
|
Anzeige (G3) |