Neues aus Kuba
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Kuba verzeichnet im ersten Quartal 2025 einen drastischen Einbruch im Tourismussektor: Die Zahl internationaler Besucher sank im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Prozent. Besonders stark betroffen sind zentrale Herkunftsländer wie Kanada, Russland und die kubanische Diaspora.
Foto von Danilo Sandoval auf Unsplash
Der kubanische Tourismussektor, seit Jahrzehnten eine zentrale Stütze der Volkswirtschaft der Insel, erlebt derzeit einen dramatischen Einbruch. Wie aus aktuellen Daten des kubanischen Statistikamts (ONEI) hervorgeht, besuchten im ersten Quartal 2025 lediglich 571.772 internationale Gäste die Karibikinsel – ein Rückgang von 29,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese Zahlen sind besonders alarmierend, da sie sich auf die Monate Januar bis März beziehen, die traditionell zur Hochsaison des Tourismus zählen.
Die Hauptursachen für den Rückgang sind ein drastischer Rückgang der Besucherzahlen aus Russland, Kanada und der im Ausland lebenden kubanischen Diaspora. Alle drei Gruppen stellten in den vergangenen Jahren zentrale Besuchersegmente dar. Insbesondere die kanadischen Touristenzahlen, die traditionell das größte Kontingent stellen, sanken um fast ein Drittel auf 272.274. Die Zahl russischer Touristen halbierte sich sogar auf 33.395. Auch aus der kubanischen Exilgemeinschaft reisten mit 59.896 Personen rund 20 Prozent weniger Menschen nach Kuba. Darüber hinaus verzeichnete Kuba deutliche Einbrüche bei Touristen aus den USA (39.447), Deutschland (17.242), Frankreich (14.746), Argentinien (12.275), Mexiko (11.592) und Spanien (9.827). Diese Rückgänge deuten auf eine strukturelle Schwäche des kubanischen Tourismussektors hin, die über temporäre Schwankungen hinausgeht. Hinzu kommt, dass das erste Quartal 2025 mit dem Osterfest im April statistisch verzerrt ist, da die Feiertage im Vorjahr auf März fielen – ein Umstand, der zumindest einen Teil der Rückgänge erklären könnte. Dennoch lassen die veröffentlichten Zahlen Zweifel daran aufkommen, ob das von der Regierung ausgegebene Jahresziel von 2,6 Millionen internationalen Touristen überhaupt erreichbar ist. Zum Vergleich: 2023 zählte Kuba rund 2,4 Millionen ausländische Besucher, 2022 waren es 1,6 Millionen. Vor der Pandemie lagen die Höchstwerte 2018 und 2019 noch bei 4,6 beziehungsweise 4,2 Millionen Touristen. Ökonomen und Tourismusexperten führen die aktuelle Krise auf eine Vielzahl struktureller Probleme zurück. Die anhaltende Wirtschaftskrise, verschärft durch Energiemangel, Versorgungsengpässe und US-Sanktionen, hat weitreichende Auswirkungen auf den Tourismussektor. Hotels berichten von Lieferengpässen bei Grundnahrungsmitteln, was zu einem eingeschränkten Angebot für Reisende führt. Auch der Zustand der touristischen Infrastruktur gibt Anlass zur Sorge: Mangelnde Wartung, häufige Stromausfälle und Defizite in der Versorgung mit Wasser und anderen Dienstleistungen beeinträchtigen die Qualität des touristischen Angebots. Darüber hinaus führt der Rückgang internationaler Flugverbindungen – teils infolge geopolitischer Spannungen, teils aus wirtschaftlichen Gründen – dazu, dass Kuba schlechter erreichbar ist als andere karibische Destinationen. Dies wiegt umso schwerer, als vergleichbare Reiseziele wie Punta Cana in der Dominikanischen Republik oder Cancún in Mexiko derzeit Rekordzahlen verzeichnen und von einem postpandemischen Tourismusboom profitieren. Der kubanische Tourismus steht somit im deutlichen Kontrast zur Entwicklung in der Region. Während andere Länder die Pandemie als Katalysator für Modernisierungsprozesse nutzten, um ihre touristische Infrastruktur zu verbessern, verharrt Kuba in einem Zustand chronischer Unterinvestition und politischer Lähmung. Großprojekte wie der geplante internationale Drehkreuzflughafen Havannas, angepriesen als künftiges Luftfahrtzentrum der Karibik, drohen angesichts mangelnder Voraussetzungen – etwa bei Energieversorgung, Investorenschutz und Flugverbindungen – zu reinen Prestigevorhaben ohne realen Nutzen zu verkommen. Wirtschaftswissenschaftler wie José Luis Perelló sprechen bereits von einer „verlorenen Dekade“ für den kubanischen Tourismus. Seiner Einschätzung nach wird Kuba frühestens 2030 wieder das Niveau vor der Pandemie erreichen – falls überhaupt. Eine solche Perspektive ist nicht nur für die staatlichen Deviseneinnahmen problematisch, sondern auch für die vielen Kubaner, deren Einkommen direkt oder indirekt vom Tourismus abhängt. Die Tourismuskrise wirkt sich damit unmittelbar auf die Gesamtwirtschaft der Insel aus. Traditionell zählt der Sektor neben dem Export medizinischer Dienstleistungen und den Geldüberweisungen aus dem Ausland zu den wichtigsten Devisenquellen des Landes. In einer Situation, in der die staatlichen Reserven erschöpft sind, die Produktionskapazitäten schwächeln und die Inflation hoch bleibt, sind sinkende Einnahmen aus dem Tourismus ein zusätzlicher Schlag für die ohnehin fragile Volkswirtschaft. Derzeit fehlen sowohl eine kohärente Strategie zur Belebung des Tourismus als auch die notwendigen Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. Ohne Investitionen in Infrastruktur, Energieversorgung, Dienstleistungen und internationale Vermarktung dürfte es Kuba schwerfallen, seinen einstigen Status als attraktives Reiseziel zurückzugewinnen. Auch wenn sich die Regierung weiterhin optimistisch gibt, sprechen die Zahlen und die strukturellen Defizite eine deutliche Sprache. Während touristische Hotspots der Region auf Erholungskurs sind, rutscht Kuba weiter ab – ein Alarmsignal für ein Land, das jahrelang auf den Tourismus als Motor seiner wirtschaftlichen Entwicklung gesetzt hat. Sollte keine Kehrtwende erfolgen, droht der kubanischen Tourismusindustrie nicht nur ein weiteres schwaches Jahr, sondern möglicherweise ein langfristiger Bedeutungsverlust im Wettbewerb um internationale Reisende.
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Text: Leon Latozke
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