Neues aus Kuba
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Unter massivem Druck der USA beenden die Bahamas das langjährige Abkommen mit Kuba über medizinische Fachkräfte. Statt über Havanna sollen kubanische Ärzte künftig direkt angestellt werden – ein Bruch mit einem Modell, das in der Karibik jahrzehntelang als solidarisch galt. Washington spricht von Zwangsarbeit, Kuba von politischer Erpressung.
Abbildung: Kubanische Ärzte kommen am 8. Juni 2020 auf dem internationalen Flughafen Jose Marti in Havanna an, nachdem sie nach Italien gereist sind, um gegen COVID-19 zu helfen. (Bildquelle: KTLA © Ismael Francisco/Pool via AP, File)
Die Regierung der Bahamas hat angekündigt, ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem kubanischen Gesundheitssystem grundlegend neu zu ordnen. Gesundheitsminister Michael Darville erklärte im Parlament, dass alle bestehenden Verträge mit kubanischen Vermittlungsagenturen gekündigt und stattdessen Direktverträge mit kubanischen Ärzten und Lehrkräften abgeschlossen werden sollen. Der Schritt markiert eine deutliche Abkehr vom bisherigen Modell der medizinischen Kooperation mit Kuba und folgt dem wachsenden Druck der US-Regierung unter Präsident Donald Trump, die derartige Programme als „Zwangsarbeit“ brandmarkt.
Seit Jahrzehnten entsendet Kuba medizinisches Personal in zahlreiche Länder – darunter viele Staaten der Karibik und Lateinamerikas – um dort Versorgungsengpässe zu überbrücken. Die Entlohnung der Ärzte erfolgt in einem Mischsystem: Ein Teil des Gehalts wird den Fachkräften direkt ausgezahlt, der Rest verbleibt beim kubanischen Staat und soll zur Finanzierung des nationalen Gesundheitswesens dienen. Für Washington ist dieses Modell nicht akzeptabel. US-Außenminister Marco Rubio wirft Havanna vor, systematisch gegen internationale Arbeitsstandards zu verstoßen, und hat entsprechende Visabeschränkungen für involvierte kubanische und ausländische Regierungsvertreter in Kraft gesetzt. Minister Darville bestätigte, dass die Neuausrichtung auf direkte Arbeitsverhältnisse Teil intensiver Verhandlungen mit der US-Regierung sei. Seine Gespräche mit kubanischen Behörden und Agenturen hätten ergeben, dass viele der bereits in den Bahamas tätigen Fachkräfte zu individuellen Verträgen bereit seien. Diese sollen künftig direkt mit dem Gesundheitsministerium abgeschlossen werden – ohne Zwischeninstanzen, die einen Teil der Honorare einbehalten. Dieser Schritt ist nicht nur administrativer Natur, sondern Ausdruck geopolitischer Anpassung. Die Entscheidung folgt zunehmendem Druck aus Washington. Die US-Regierung unter Donald Trump hat in den vergangenen Monaten ihre Sanktionen gegen Kuba verschärft und besonders die medizinischen Auslandseinsätze des Landes ins Visier genommen. Diese Programme, bei denen die kubanische Regierung einen Großteil der Gehälter einbehält, werden von Washington als „Zwangsarbeit“ und „Menschenhandel“ klassifiziert. Die Bahamas reagieren nun mit strukturellen Reformen und signalisieren ihre Bereitschaft, amerikanischen Vorgaben zu entsprechen – nicht zuletzt, um mögliche Sanktionen zu vermeiden. Die Umstrukturierung betrifft jedoch nicht nur medizinisches Personal. Auch die Rekrutierung kubanischer Lehrer wurde vorläufig ausgesetzt, während parallel neue Quellen für medizinisches Fachpersonal in Afrika und Asien erschlossen werden sollen. Die Entscheidung der Bahamas reiht sich ein in eine regionale Entwicklung. Auch Guyana und Antigua haben signalisiert, ihre Praxis der Zusammenarbeit mit Kuba zu überdenken. In Guyana kündigte Vizepräsident Bharrat Jagdeo an, künftig verstärkt auf internationale Arbeitsrechtsstandards zu achten – ein klarer Hinweis darauf, dass US-Druck wirkt. Die dortige Regierung prüft derzeit die Anpassung ihres Zahlungssystems und der vertraglichen Rahmenbedingungen für kubanische Ärzte. Diese Entwicklung trifft Kuba empfindlich. Das sozialistische Land betreibt seit Jahrzehnten ein globales medizinisches Kooperationsprogramm, das gleichzeitig als außenpolitisches Instrument und als Einnahmequelle dient. Nach Angaben der kubanischen Regierung haben mehr als 100.000 kubanische Ärzte in den vergangenen Jahrzehnten in über 70 Ländern gearbeitet. Aktuell sind rund 22.000 Mediziner in mehr als 50 Staaten im Einsatz – viele davon in Lateinamerika und der Karibik. In New York verteidigte Kubas Vizeaußenminister Carlos Fernández de Cossio das Programm entschieden. In einem Interview mit der Associated Press warf er den USA vor, gezielt den Ruf des Programms zu beschädigen und eine lebenswichtige Einkommensquelle seines Landes zu blockieren. Die USA setzten andere Länder sowie Finanzinstitutionen unter Druck, um bestehende Kooperationsverträge mit Kuba zu beenden. Cossio betonte, dass die entsandten Ärzte ein reguläres Gehalt in Kuba sowie einen zusätzlichen Auslandszuschlag erhielten. Die restlichen Einnahmen flössen in das staatliche Gesundheitssystem – ein solidarisches Modell, das gezielt ärmere Länder unterstütze. Besonders brisant ist ein Brief der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, der an alle 34 Mitgliedstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verschickt wurde. Darin fordert die Kommission detaillierte Informationen über bestehende Abkommen mit Kuba, über Gewerkschaftsrechte der medizinischen Fachkräfte und etwaige Arbeitsrechtsverletzungen. Beobachter wie Francesca Emanuele vom Center for Economic and Policy Research in Washington kritisierten das Schreiben als „beispiellos“ und „verstörend“. Die Kommission ist zwar formell unabhängig, wird jedoch maßgeblich von den USA finanziert. In vielen karibischen Ländern sorgt das Vorgehen für Unruhe. St. Vincents Premierminister Ralph Gonsalves wies den Vorwurf möglicher Menschenrechtsverletzungen deutlich zurück. Kubanische Ärzte betrieben dort das einzige Dialysezentrum des Landes, das 64 Patienten kostenlos versorge. Ein Abzug der Kubaner würde das Ende dieser lebenswichtigen Einrichtung bedeuten. Auch die Regierungschefs von Barbados und Trinidad & Tobago verteidigten die Kooperation mit Kuba und betonten ihre nationale Souveränität gegenüber Washingtons Einfluss. Für Kuba geht es nicht nur um wirtschaftliche Verluste, sondern um eine politische und ideologische Auseinandersetzung. Präsident Miguel Díaz-Canel sprach im April von einer „Verzweiflungskampagne“, die zwei Ziele verfolge: erstens die finanzielle Austrocknung des Landes, zweitens die Diskreditierung Kubas als solidarischen Akteur in der internationalen Gesundheitspolitik. Die Auseinandersetzung um das kubanische Ärzteprogramm offenbart eine tiefe politische Spaltung auf dem amerikanischen Kontinent – zwischen einem wachsendem Einfluss Washingtons und der Verteidigung nationaler Souveränität durch kleinere Staaten. Während einige Regierungen den Druck der USA akzeptieren, setzen andere weiterhin auf kubanische Hilfe – und damit auch auf ein Modell, das zunehmend ins Visier geopolitischer Interessen gerät.
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Text: Leon Latozke
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