Neues aus Kuba
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Der Oberste Gerichtshof der USA hat entschieden, dass die Trump-Regierung das humanitäre CHNV-Programm vorläufig beenden darf – obwohl das juristische Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Damit droht mehr als 500.000 Menschen, darunter rund 110.000 Kubaner der Verlust ihres Schutzstatus und möglicherweise die Abschiebung.
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat eine weitreichende Entscheidung getroffen, die unmittelbare Auswirkungen auf über 500.000 Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela hat – darunter rund 110.000 Kubaner. Das Urteil ermöglicht es der Trump-Administration, das sogenannte CHNV-Programm auszusetzen, ein von Präsident Joe Biden 2023 ins Leben gerufener humanitäres Einreiseverfahren, das gefährdeten Menschen aus den vier Krisenstaaten eine legale, zeitlich befristete Einreise in die USA ermöglichte.
Mit der Entscheidung hebt das Supreme Court eine einstweilige Verfügung einer Bundesrichterin auf, die bis dahin verhinderte, dass das Heimatschutzministerium (DHS) das Programm flächendeckend beenden konnte. Damit öffnet sich die Tür für die Ausweisung zehntausender Menschen, deren Aufenthalt bisher durch einen auf zwei Jahre befristete Aufenthaltstitel geschützt war. Der Rechtsstreit über die Zukunft des Programms geht jedoch weiter. Ende eines Schutzraums Das CHNV-Programm (benannt nach den Anfangsbuchstaben der betroffenen Staaten) war ein zentrales Instrument der Biden-Regierung zur Steuerung der Migration an der Südgrenze der USA. Es erlaubte monatlich bis zu 30.000 Menschen aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela, mit anerkanntem Bürgen, Sicherheitsüberprüfung und Flugticket für zwei Jahre in die USA einzureisen. Ziel war es, irreguläre Grenzübertritte zu reduzieren und stattdessen geordnete, sichere Migrationswege zu ermöglichen. Mehr als eine halbe Million Menschen erhielten so seit Anfang 2023 Zugang zum US-Territorium – darunter Familien, Alleinreisende und Kranke, die in ihren Herkunftsländern keinen Schutz fanden. Nach dem Regierungswechsel kündigte die neue Heimatschutzministerin Kristi Noem im März 2025 an, das Programm zu beenden. Sie verwies auf nationale Sicherheitsbedenken, überlastete Verwaltungsstrukturen und eine Neubewertung der außenpolitischen Lage. Die juristische Auseinandersetzung entzündete sich daran, ob eine flächendeckende Beendigung des Programms ohne individuelle Prüfung zulässig sei. Bundesrichterin Indira Talwani hatte zunächst entschieden, dass das DHS jeden einzelnen Fall prüfen müsse, bevor ein Aufenthaltstitel widerrufen werden könne – ein Vorgehen, das nach Auffassung der Regierung die ohnehin überlasteten Behörden zusätzlich lähmen würde. Die Trump-Administration legte Berufung ein. Das Supreme Court gab nun mit knapper Mehrheit dem Antrag der Regierung statt, die Aufenthaltsgenehmigungen vorläufig zu entziehen – auch wenn das Verfahren inhaltlich noch nicht abgeschlossen ist. Damit droht den mehr als 500.000 Migranten unmittelbar die Abschiebung, obwohl ihre Klagen weiterhin vor Gericht verhandelt werden. Schwere humanitäre Folgen Die Entscheidung trifft viele der Betroffenen unerwartet und hart. Zahlreiche Migranten leben bereits seit Monaten oder über einem Jahr in den USA, haben medizinische Behandlungen begonnen, Arbeitsplätze gefunden, ihre Kinder in Schulen eingeschrieben und Familienangehörige wiedergetroffen. Die plötzliche Unsicherheit über ihren Aufenthaltsstatus sorgt für große Verzweiflung. Ein exemplarischer Fall ist der des 71-jährigen Venezolaners Orlando Valecillos, der, wie die US-amerikanische Tageszeitung Miami Herald berichtet, nach einer jahrelangen Odyssee über Chile in die USA kam, um bei seiner Tochter zu leben. Er steht kurz vor einer dringend notwendigen Prostataoperation, deren Durchführung nun durch eine mögliche Abschiebung bedroht ist. Valecillos ist einer von Tausenden, die nach Ankunft in den USA Asylanträge gestellt haben – in der Hoffnung, auf diesem Wege doch noch bleiben zu dürfen. Viele der kubanischen Migranten haben ähnliche Lebenswege: Sie flohen vor wirtschaftlicher Misere, politischer Verfolgung oder repressiven staatlichen Maßnahmen. Für sie war das CHNV-Programm ein sicherer Weg in die USA – ein Angebot, das nun abrupt endet. Die US-Regierung betont, dass alle Teilnehmenden des Programms von Anfang an über dessen temporären Charakter informiert waren. Kritiker werfen ihr hingegen vor, humanitäre Standards und völkerrechtliche Verpflichtungen über Bord zu werfen. Dissens im Supreme Court Die Entscheidung des Supreme Court wurde nicht einstimmig getroffen. Die Richterinnen Ketanji Brown Jackson und Sonia Sotomayor – beide von demokratischen Präsidenten nominiert – äußerten in einem abweichenden Votum scharfe Kritik. Jackson warf dem Gericht vor, die drohenden humanitären Konsequenzen für Hunderttausende Menschen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Es sei verfehlt, nahezu keinerlei Nachweis für einen angeblichen „unwiederbringlichen Schaden“ der Regierung zu verlangen, während für die Betroffenen potenziell existenzielle Konsequenzen im Raum stünden. Auch Menschenrechtsorganisationen zeigten sich entsetzt. Ida Sawyer von Human Rights Watch sprach gegenüber dem Miami Herald von einem „beschämenden Verrat an internationalen Menschenrechtsnormen“ und kritisierte, die Entscheidung setze ein gefährliches Signal: „Statt Schutzräume auszubauen, schließt die USA ihre Türen vor den Schwächsten.“ Politisches Kalkül? Der politische Hintergrund des Urteils ist unübersehbar. Donald Trump, der sich im laufenden Wahlkampf als entschlossener Kämpfer gegen illegale Migration inszeniert, hatte angekündigt, Programme wie CHNV zu beenden und Abschiebungen massiv auszuweiten. In seiner Regierungserklärung zum Urteil erklärte ein Sprecher des Heimatschutzministeriums, Biden habe „mehr als eine halbe Million schlecht geprüfter Ausländer“ ins Land gelassen und die Sicherheit der USA gefährdet. Mit dem Urteil beginne nun eine Rückkehr zu „gesunden Menschenverstand“ und „America First“-Politik. Ausblick Während das Verfahren in den unteren Instanzen weiterläuft, droht zehntausenden Kubanern in den USA akute Unsicherheit. Für viele sind freiwillige Rückreisen nach Kuba keine Option – sei es wegen politischer Repression, sozialer Destabilisierung oder fehlender Zukunftsperspektiven. Die Möglichkeit, über Asylverfahren oder durch Verwandte mit US-Staatsbürgerschaft einen legalen Aufenthaltsstatus zu erreichen, bleibt bestehen, ist aber langwierig und ungewiss. Für die kubanische Diaspora in Florida und darüber hinaus bedeutet das Urteil einen massiven Einschnitt – juristisch, politisch und menschlich. Es markiert das vorläufige Ende eines der ambitioniertesten Programme für geordnete Migration in der US-amerikanischen Geschichte – und damit auch einen Rückschritt im internationalen Ringen um faire, humane Migrationslösungen.
Quelle: Miami Herald (https://t1p.de/iel1q)
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Text: Leon Latozke
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