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Nachdem sie in Deutschland keinen Studienplatz erhielt, entschied sich Rahel Hajjeh für ein Medizinstudium in Havanna. Seit 2022 meistert die 24-Jährige Saarbrückerin die Herausforderungen eines Gesundheitssystems am Limit: mangelnde Ausstattung, improvisierte Behandlungsmethoden und eine angespannte Versorgungslage. Dennoch schätzt sie die praxisorientierte Ausbildung und hat gelernt, sich durchzusetzen.
Abbildung: Rahel Hajjeh vor der Notaufnahme in Havanna (Bildquelle: Saarbrücker Zeitung © Ernst Brenner)
Weil sie in Deutschland keinen Studienplatz für Medizin erhielt, entschied sich Rahel Hajjeh aus Saarbrücken, ihren Traum dennoch zu verwirklichen – auf Kuba. In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung berichtet die 24-Jährige ausführlich über ihre Beweggründe, Erfahrungen und die Herausforderungen, denen sie sich seit ihrem Studienbeginn 2022 in Havanna stellt.
Vom Saaland nach Havanna Nach ihrem Abitur 2018 am Ludwigsgymnasium Saarbrücken und einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einer Mutter-Kind-Klinik in Bolivien bewarb sich Rahel Hajjeh an mehreren Universitäten in Deutschland, Italien und Österreich. Doch die Konkurrenz war übermächtig: Ihr guter, aber nicht exzellenter Notendurchschnitt reichte nicht für einen Studienplatz. Auch der Medizinertest und weitere Qualifikationen wie die Ausbildung zur Rettungssanitäterin brachten nicht den erhofften Erfolg. Ein Tipp eines Familienfreundes brachte die Wende: die Escuela Latinoamericana de Medicina (ELAM) in Havanna. Sprachlich war Rahel durch ihre Zeit in Bolivien gut vorbereitet, und mit einem geliehenen Betrag von 50.000 US-Dollar konnte sie das Studium finanzieren. Seit Februar 2022 studiert sie nun im kommunistischen Inselstaat Medizin. Alltag zwischen Improvisation und Engagement Die Bedingungen in Kuba unterscheiden sich radikal von deutschen Standards. Schon während des Grundstudiums wohnte Rahel in einem überfüllten Studentenwohnheim. Sechs Frauen teilten sich ein Zimmer, die Sanitäranlagen waren in einem miserablen Zustand, und das Essen in der Mensa war oft ungenießbar. Trotz dieser widrigen Umstände schaffte sie das Physikum und zog in ein eigenes Apartment um. Im Oktober 2023 begann der praktische Teil ihrer Ausbildung in einem Kinderkrankenhaus. Rahel beschreibt, wie sie oft improvisieren muss, da es an grundlegender medizinischer Ausstattung wie Thermometern, Blutdruckmessgeräten oder Medikamenten fehlt. Ihre eigene medizinische Grundausstattung, die sie stets mit sich führt, ist für sie unverzichtbar. Nadeln werden ausgekocht, Papier wird mehrfach verwendet, und digitale Patientenakten gibt es nicht. Trotz alledem schätzt sie die praxisorientierte Ausbildung, bei der sie deutlich mehr eigenverantwortlich arbeiten kann als in deutschen Kliniken. Die Ausbildung sei sehr praxisnah, betont Hajjeh. Medizinstudierende sind in Havanna für die Betreuung eines bestimmten Patienten verantwortlich und präsentieren ihre Ergebnisse morgens bei der Visite. „Man kann hier viel selbst machen, was in Deutschland aus versicherungstechnischen Gründen oft nicht möglich wäre.“ Gleichzeitig fordert die Knappheit an Ressourcen Improvisationstalent. So könnten Blutwerte an manchen Tagen schlicht nicht bestimmt werden, weil es kein Heparin gebe. Ein Gesundheitssystem am Limit Das kubanische Gesundheitssystem, einst Vorbild für viele Länder, ist heute von Mangel und Improvisation geprägt. Medikamente sind rar, in staatlichen Apotheken sind die Regale oft leer. In speziellen Kliniken für Touristen hingegen ist alles erhältlich – gegen Devisen. Die wirtschaftliche Misere wirkt sich auch auf die Lebensbedingungen der Menschen aus. So verdient ein kubanischer Arzt im Schnitt nur 20 bis 30 Euro im Monat und kann häufig nur durch Nebenjobs überleben. Rahel erlebt diese Realität täglich: Menschen sprechen sie auf der Straße an, in der Hoffnung, dass sie Medikamente entbehren kann. Auch der Zugang zu Grundnahrungsmitteln ist für viele schwierig, und wichtige Waren werden über den Schwarzmarkt gehandelt. Auf dem Schwarzmarkt findet man über spezielle Apps alles von Grundnahrungsmitteln bis hin zu Luxusgütern wie importierter Schokolade. Die Infrastruktur der Kliniken ist ebenfalls stark beeinträchtigt. Moderne High-Tech-Geräte fehlen in den staatlichen Krankenhäusern fast vollständig, und wenn sie vorhanden sind, sind sie oft veraltet. Materialien wie Nadeln oder Desinfektionsmittel sind knapp. Ein morgendlicher Check, welche Medikamente überhaupt verfügbar sind, gehört zur Routine. Herausforderungen und Perspektiven Das Leben in Kuba ist für Rahel Hajjeh alles andere als ein romantischer Aufenthalt in der Karibik. Stromausfälle und die angespannte Versorgungslage belasten den Alltag. Gleichzeitig gibt es kulturelle Hürden: Die hierarchischen Strukturen im Studium und gesellschaftliche Normen, die sich wenig gewandelt haben, erschweren das Miteinander. So seien beispielsweise die Interaktionen mit Professoren oft wenig partnerschaftlich, sondern autoritär geprägt. Doch Rahel hat gelernt, sich durchzubeißen. Kuba habe sie vieles gelehrt, sagt sie: „Hier habe ich nicht nur medizinisches Wissen erworben, sondern auch Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, in schwierigen Situationen kreativ zu sein.“ Dennoch bleibt ihr Wunsch, eines Tages in Deutschland zu praktizieren. „Würde mir jemand einen Studienplatz in Deutschland anbieten, ich würde sofort meine Koffer packen.“
Quelle: Saarbrücker Zeitung (https://t1p.de/vvgsk)
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Text: Leon Latozke
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