​Von Havanna nach Béziers: Joel Guillen schreibt Rugby-Geschichte

​Joel Guillen, der erste Kubaner im professionellen Rugby, hat eine ungewöhnliche Karriere hingelegt: Vom Kuba der 90er-Jahre zog er mit seiner Familie nach Spanien, wo er seine Leidenschaft für eine Sportart entdeckte, die in seiner Heimat nahezu unbekannt war. Mittlerweile hat er sich als hat sich als Video-Analyst bei französischen Zweitligisten AS Béziers Hérault einen Namen gemacht. 

Symbolbild von Jean-François Beauséjour, RWC 2011 final FRA - NZL Trinh-Duc and C Smith, CC BY 2.0

Joel Guillen hat eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte vorzuweisen: Der 29-Jährige ist der erste Kubaner, der sich im professionellen Rugby etabliert hat. Als Video-Analyst des französischen Zweitligisten AS Béziers Hérault (ASBH) bringt er nicht nur technische Expertise in den Club ein, sondern verkörpert auch die Verwirklichung eines Traums, der auf einer außergewöhnlichen Reise basiert.

Geboren in Havanna, wuchs Guillen in einem Land auf, in dem Rugby praktisch unbekannt ist. In Kuba dominieren Sportarten wie Baseball und Boxen die öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die schwierigen Lebensbedingungen – geprägt von wirtschaftlichen Engpässen und politischer Repression – führten dazu, dass Guillen im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach Spanien auswanderte.

In Madrid erlebte der junge Joel zunächst einen Kulturschock. Die Schule, der Alltag und der Mangel an Meer und Wärme unterschieden sich stark von seiner Heimat. Sport wurde zu einem wichtigen Anker. Zunächst spielte er die in Spanien verbreiteten Sportarten Fußball, Handball und Basketball. Mit Rugby kam er erst zufällig in Berührung: Ein Fernsehspiel, das eher durch zahlreiche Fehler als durch Qualität auffiel, weckte sein Interesse. „Ich war sofort fasziniert von der Dynamik, der Disziplin und dem Kampfgeist der Spieler“, erinnert sich Guillen.

Guillen trat einem Rugby-Club in Madrid bei, der von der französischen Schule der Stadt organisiert wurde. Hier sammelte er erste Erfahrungen mit der Sportart und übernahm bald Aufgaben als Jugendtrainer. Die Leidenschaft für Rugby vertiefte sich, doch Guillen merkte schnell, dass der Sport in Spanien ein Nischendasein führt. Als Spieler kämpfte er mit Verletzungen, die ihn schließlich dazu zwangen, seine aktive Laufbahn frühzeitig zu beenden. Er widmete sich fortan dem Coaching und arbeitete als Trainer in verschiedenen Clubs sowie als Teammanager der spanischen Nationalmannschaft.

Guillen wusste, dass er in Spanien an berufliche Grenzen stoßen würde. Inspiriert von seinen Erfahrungen an der französischen Schule entschied er sich, nach Frankreich zu gehen, wo Rugby eine bedeutendere Rolle spielt. Mit kaum Kontakten zog er nach Bordeaux und bot sich direkt bei lokalen Clubs an. Seine erste Anstellung fand er beim Club Floirac, wo er Jugendteams trainierte. Doch Guillen wollte mehr.

Er erkannte, dass Videoanalyse eine zentrale Rolle im modernen Rugby spielt, und absolvierte ein entsprechendes Studium an der Universität Montpellier. Dieses Spezialwissen verschaffte ihm eine erste Stelle bei ASBH, wo er 2022 als Praktikant anfing.

Guillen hat sich seitdem als Video-Analyst etabliert und arbeitet heute eng mit dem Trainerteam von ASBH zusammen. Seine Rolle umfasst nicht nur die Analyse von Spielen und Trainingseinheiten, sondern auch die Vorbereitung strategischer Entscheidungen. Der Club hat in modernste Technologie investiert, um die Arbeit des Analysten-Teams zu unterstützen. Trainer Pierre Caillet lobt Guillen als „engagiert und leidenschaftlich“ und betont die Vorteile, die Guillens Trainerhintergrund für die Analysearbeit bringt.

Neben seiner Arbeit als Analyst trainiert Guillen auch Nachwuchsspieler. Für ihn bleibt das Coaching ein zentraler Bestandteil seiner Karriere. Sein langfristiges Ziel: der erste professionelle Rugby-Trainer aus Kuba zu werden.

Guillens Geschichte ist ein seltenes Beispiel für die Verbindung von sportlicher Leidenschaft, kulturellem Wandel und persönlichem Durchhaltevermögen. Trotz der fehlenden Rugby-Tradition in seiner Heimat hat er sich durch harte Arbeit in einer Sportart etabliert, die in Europa fest verankert ist. Seine Geschichte zeigt, dass Entschlossenheit und Offenheit für neue Wege Grenzen überwinden können – sei es geografisch oder kulturell.

Quelle: Footboom (https://t1p.de/kinmj)