Jedes Jahr findet im Frühjahr in Kuba ganz in der Nähe der Schweinebucht eine Invasion der besonderen Art statt. Millionen von kubanischen Landkrabben verlassen die Mangrovensümpfe und machen sich auf den Weg zum Meer. Der Zug der Krabben geht über Wochen. Fatal ist, dass die Tiere dabei die Küstenstraße uberqueren müssen.
Foto: Kubanische Landkrabben (Gecarcinus ruricola) in der Schweinbucht. Foto: P.Lindgren (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
Die Ciénaga de Zapata, das Sumpfland der Zapata-Halbinsel befindet sich im Süden der Provinz Mantanzas. Das Gebiet ist 600.000 Hektar groß, mit ausgedehnten Sümpfen, Mangrovenwäldern, Lagunen als Übergang zum Meer. Seit 1970 Schutzgebiet, wurde es von der UNESCO 2000 zum Biosphärenreservat erklärt. 2001 wurde es zum Ramsar-Gebiet, das heißt in die Liste der Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung aufgenommen. Die Vielfalt der Lebensräume führt auch zu einer Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Amphibien, Reptilien - unter ihnen die letzten frei lebenden Krokodile - und nicht zuletzt viele Krabben.
Vor Millionen von Jahren lebten die Vorfahren der kubanischen Landkrabbe (Gecarcinus ruricola) im Meer. Mit der Zeit eroberten sie aber an Land den feuchten Mangrovensumpf als neuen Lebensraum. Wie marine Krabben atmen sie aber weiterhin über Kiemen, sind auf Wasser und dampfige Umgebungen angewiesen, und graben feuchte Tunnel, in denen sie leben. Nur während der Regenfälle zu Jahresbeginn verlassen sie zur Paarung ihr nasses Refugium. Einige Wochen später müssen die Weibchen die befruchteten Eier, die sie auf dem Rücken tragen, ins Meer bringen. Denn im Larvenstadium sind die Krabben auf Salzwasser angewiesen. Die beschwerliche Reise. die über 10 Kilometer gehen kann, dauert mehrere Tage. Und sie ist voller Hindernisse, wie Bordsteinkanten oder die Swimming Pools in den küstennahen Touristen-Ressorts. An sonnigen Tagen müssen die Tiere Schatten finden, um nicht an Wasserverlust zu sterben. Für Vögel und Säugetiere sind die ungeschützten Krabben auf Wanderschaft leichte Beute. Vor Kubanern, die Meeresfrüchte traditionell lieben, sind sie übrigens durch ein für Menschen schädliches Wolframtoxin geschützt. Größte Gefahrenquelle ist jedoch die Küstenstraßee, die die flache felsige Küste mit ihrem Hinterland verbindet. Die Straße, die von Playa Larga nach Playa Giron und Celet Buena führt, trennt auf einer Lange von 38 Kilometern den Lebensraum der Krabben, die Mangrovensümpfe, von ihrer Kinderstube, dem Meer.
Rund 140 Autos fahren hier in Normalzeiten täglich, mehr als ein Drittel davon Busse und anderer Schwerlastverkehr. Während der Krabbenwanderung versuchen die Behörden den Verkehr auf den betroffenen Abschnitten zu verringern oder die Benutzung auf die heiße Mittagszeit zu beschränken, wenn die Tiere wegen des stark erhitzten Asphalts die Straße nicht überqueren. Trotzdem wurden in den letzten Jahren in jedem Frühling schätzungsweise 3,5 Million Krabben von Autos überfahren.
Am Meer angekommen erwartet die Krabben eine weitere Herausforderung. Die Eier müssen im Meer abgelegt werden, ohne darin zu ertrinken. Im Lauf der Evolution sind die Krabben derart ans Landleben angepasst, dass ein Leben im Meer nicht mehr möglich ist. So müssen die Tiere nach der Eiablage zurück in den Mangrovensumpf und dabei erneut die gefährliche Straße überqueren. So verlassen die Babykrabben am Ende ihrer Entwicklung nach einigen Wochen ebenfalls das Meer und suchen unter Lebensgefahr die Mangrovenwälder auf, wo der Zyklus von neuem beginnt.
Ganz in der Nähe der Schweinbucht wiederholt sich im Sumpfland der Zapata-Halbinsel jährlich eine Invasion der besonderen Art.
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