Havanna-Syndrom: "Gerichtete" hochfrequente Strahlung wahrscheinlichste Ursache

Die erste offizielle Erklärung der Krankheit, von der US-Diplomaten in Kuba betroffen waren, besagt, dass 'gepulste' Energie zu den unerklärlichen Symptomen des Havanna-Syndroms geführt haben könnte, lässt aber weiterhin Fragen offen. 

Amerikanische Botschaft in Havanna (Bildquelle: Cibercuba © Cibercuba)

Eine neue, erstmalig von der Regierung durchgeführte Studie kam jetzt zu dem Schluss, dass eine Form gezielter Mikrowellenenergie die wahrscheinlichste Erklärung für eine Reihe mysteriöser Hörbeschwerden und neurologischer Symptome ist, die bei US-Diplomaten, die in Kuba und China arbeiten, auftraten und die als "Havanna-Syndrom" in die Berichterstattung eingingen 

In den Jahren 2016 und 2017 erlitten 25 US-Amerikaner, darunter CIA-Agenten, die in der US-Botschaft in Kuba tätig waren, schwere Hirnverletzungen, die neben anderen anhaltenden Problemen Sehstörungen und Gedächtnisverlust verursachten. Anfang 2018 berichteten amerikanische Diplomaten in China von ähnlichen Symptomen und einem unerklärlichen Hirntrauma.

"Insgesamt scheint die gerichtete gepulste RF-Energie, insbesondere bei denjenigen mit den ausgeprägten frühen Manifestationen, der plausibelste Mechanismus zur Erklärung dieser Fälle zu sein", heißt es in dem am Samstag (5.) veröffentlichten Bericht eines Ausschusses, der das Außenministerium über die "unerklärlichen gesundheitlichen Auswirkungen" berät, die US-Regierungsangestellten und ihren Familien in den Botschaften widerfahren sind.

RF steht im Englischen für radio frequency und entspricht der deutschen Abkürzung HF für Hochfrequenz. In der Elektrotechnik ist das die Bezeichnung für Frequenzen über denen von hörbaren Schallwellen. In der Akustik wird dieser Frequenzbereich als Ultraschall bezeichnet. 

"Der Ausschuss befand, dass die ungewöhnliche Darstellung von akuten, gerichteten oder ortsspezifischen Anzeichen, Symptomen und Beobachtungen in der Frühphase, die von Mitarbeitern des Außenministeriums berichtet wurden, mit den Auswirkungen von gerichteter, gepulster Radiofrequenzenergie (RF) übereinstimmt", heißt es in dem Bericht. "Viele der chronischen, unspezifischen Symptome stimmen auch mit den bekannten RF-Effekten überein, wie Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Angst, kognitive Defizite und Gedächtnisverlust". 

Die RF-Theorie wurde auch durch eine Erklärung der US-Sicherheitsbehörde NSA aus dem Jahr 2014 gestützt, die im Entschädigungsfall eines Arbeitnehmers veröffentlicht wurde und in der eine solche Waffe beschrieben wurde als "Hochleistungs-Mikrowellensystemwaffe, die die Fähigkeit haben könnte, einen Feind im Laufe der Zeit zu schwächen, einzuschüchtern oder zu töten, ohne Beweise zu hinterlassen". In der Erklärung heißt es weiter: "...diese Waffe ist dazu bestimmt, die Wohnräume eines Ziels in Mikrowellen zu baden".

Der jetzt veröffentlichten Studie zufolge befasste sich das Komitee auch mit der Theorie, dass die Symptome durch "die Exposition gegenüber Organophosphaten (OP) und/oder Pyrethroiden durch das Versprühen von Insektiziden in Havanna" verursacht wurden.

"Der Ausschuss kam zu dem Schluss, dass dieser Mechanismus unwahrscheinlich sei, da es keine überzeugenden Beweise für eine akute Exposition auf hohem Niveau gebe und die klinische Vorgeschichte des betroffenen Personals der US-Botschaft nicht mit einer akuten OP-Vergiftung übereinstimme", heißt es in der Studie. "Da Insektizide jedoch das Risiko oder den Schweregrad unerwünschter Ergebnisse nach Exposition gegenüber einer Vielzahl von physischen oder psychosozialen Stressfaktoren erhöhen können, kann der Ausschuss subakute oder chronische OP- und/oder Pyrethroid-Expositionen als möglichen beitragenden Faktor für unspezifische chronische Symptome nicht ausschließen".  

"Insgesamt scheint die gerichtete gepulste HF-Energie ... der plausibelste Mechanismus zur Erklärung dieser Fälle unter den vom Ausschuss untersuchten Fällen zu sein. ... Das Komitee kann andere mögliche Mechanismen nicht ausschließen und hält es für wahrscheinlich, dass eine Vielzahl von Faktoren einige Fälle und die Unterschiede zwischen anderen erklärt". 

Der von Dr. David Relman, Professor für Medizin, Mikrobiolologie und Immunologie in Stanford, und Julie Pavlin, leitende Ärztin der Abteilung für globale Gesundheit der National Academies of Sciences in Washington, veröffentlichte Bericht, sagt, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind.

Zwar bleiben wichtige Fragen offen, aber "die bloße Betrachtung eines solchen Szenarios gibt Anlass zu ernster Besorgnis über eine Welt mit ungehemmten böswilligen Akteuren und neuen Instrumenten zur Schädigung anderer, als ob die US-Regierung nicht bereits mit natürlich auftretenden Bedrohungen alle Hände voll zu tun hätte", heißt es im Bericht weiter.

Elektromagnetische Energie, einschließlich Frequenzen wie Radio und Mikrowelle, wurden seit dem ersten Auftreten der Symptome bei US-Diplomaten in Havanna als die wahrscheinlichste Ursache betrachtet. Schon früh zogen Forscher auch die Möglichkeit in Betracht, dass Schallwellen, Toxine oder andere Mechanismen beteiligt gewesen sein könnten, obwohl keine Beweise zur Untermauerung dieser Theorien bekannt sind.

Im Laufe der Jahre haben das FBI, die CIA, das US-Militär, der diplomatische Sicherheitsdienst des US-Außenministeriums, die US-Behörden National Institutes of Health und Centers for disease control and prevention die Vorfälle untersucht. Niemand hat irgendwelche Schlussfolgerungen vorgelegt, und das Außenministerium hat stillschweigend aufgehört, das Wort "Angriff" zu verwenden, um die Geschehnisse zu beschreiben, wie es der damalige Außenminister Rex Tillerson und andere Spitzenbeamte in den ersten Tagen nach dem ersten öffentlichen Bekanntwerden der Vorfälle im Jahr 2017 taten.

Kuba hat hartnäckig und konsequent jegliche Kenntnis oder Beteiligung an den Vorfällen bestritten. Ende 2018 berichtete NBC News, dass die US-Geheimdienste, die die Vorfälle untersuchten, auf der Grundlage von Interviews mit drei US-Beamten und zwei anderen, die über die Untersuchung informiert wurden, Russland als Hauptverdächtigen betrachteten.

Quellen: The National Academies Press (https://t1p.de/zqeu). CBSNews (https://t1p.de/kcfo) NBCNews (https://t1p.de/ts6e)

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