Neues aus Kuba
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In Kuba hat ein grausamer Femizid für Aufsehen gesorgt und zu einem späten feministischen Erwachen geführt. Auf der sozialistischen Insel war Gewalt gegen Frauen bis vor einigen Jahren kein Thema, da sie als kapitalistischer Auswuchs betrachtet wurde.
Leidy verstarb im Februar 2023 im Alter von 17 Jahren bei einer Party in Nuevitas, einem kubanischen Ort im Inland, nachdem sie von einem älteren Mann belästigt wurde. Lokale Journalisten berichteten, dass es zu einer lautstarken Auseinandersetzung kam, bei der der Mann eine Machete zog. Leidy floh zur nahe gelegenen Polizeistation, wurde jedoch von dem Mann verfolgt und außerhalb der Station angegriffen. Die Verletzungen, die sie durch zwei Hiebe erlitt, waren so schwerwiegend, dass sie starb. Später stellte sich heraus, dass der Mann vorbestraft war und eine dreijährige Beziehung mit der 17-Jährigen hatte, obwohl ihre Eltern ihn wegen Pädophilie angezeigt hatten und versuchten, ihn ins Gefängnis zu bringen.
Wie der Standard, eine österreichische Tageszeitung berichtet, führte dieser grausame Femizid auf der Polizeiwache zu einer Welle der Empörung in Kuba und löste eine feministische Debatte aus. Seit Anfang dieses Jahres wurden allein in diesem karibischen Land 16 Frauen ermordet, während es im vergangenen Jahr 36 waren. Diese Daten stammen von der Frauenorganisation YoSíTeCreo, die aufgrund des Mangels an offiziellen Statistiken ihre eigenen Zahlen erhebt, in der Regel durch Betroffene oder Bürgerjournalistinnen sowie das feministische Portal Alas Tensas. Diese beiden Organisationen haben seit 2019 129 Frauenmorde registriert, aber sie glauben, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher ist. Bis vor ein paar Jahren wurde auf Kuba die Existenz von Frauenmorden ignoriert. Die Partei behauptete, dass Gewalt ein kapitalistisches Problem sei, das der Sozialismus überwunden habe, und dass Morde Einzelfälle von asozialen Individuen seien. Dies verhinderte eine Diskussion über das strukturelle Patriarchat. Mit der Einführung von mobilem Internet im Jahr 2018 verbesserte sich die Informationslage, was zu einem erhöhten Druck auf die Regierung führte. Trotzdem werden Frauen, die sich für Frauenrechte engagieren, auf Kuba immer noch schikaniert und überwacht. Unabhängige feministische und LGBTQ-Kollektive setzten sich schließlich 2022 erfolgreich für eine Reform des Familienrechts ein, das aus dem Jahr 1975 stammte und unter anderem Kinderehen erlaubte. Die Reform legalisierte nicht nur die gleichgeschlechtliche Ehe, sondern führte auch zu härteren Strafen für Gewalt gegen Frauen, einschließlich des Verlustes des Sorgerechts oder des Rechts auf Erbschaft bei gewalttätigen Partnern. YoSiTeCreo fordert zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen Krisenprotokolle und Präventionsmechanismen, wie es der Fall Leidy gezeigt hat. Feministinnen werden von der Staatssicherheit beobachtet und schikaniert, da sie unter dem Verdacht der Umsturzplanung stehen. Die Regierung behandelt die Zivilgesellschaft als Söldner und verhindert dadurch, dass direkte, erzieherische und präventive Maßnahmen gegen Femizide ergriffen werden. Die Soziologin Lisbeth Moya González kritisiert die Regierung und nennt sie einen Komplizen. Das Cuban Women's Network berichtet, dass Justiz und Polizei zu langsam auf Anzeigen häuslicher Gewalt reagieren. Frauenhäuser sind zu wenig vorhanden und Reformen zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit existieren nur auf dem Papier. Die Notrufnummer 103 war nur ein Jahr lang aktiv. 15 feministische Gruppen haben einen virtuellen Protest geplant, da ihre Bitte um eine Kundgebung am 8. März abgelehnt wurde. Ein Ziel des Protests ist die Einführung des Femizids als eigenständiges Verbrechen. Die Vorsitzende der staatlichen Frauenorganisation FMC, Teresa Amarelle, gab zu, dass es noch Schwierigkeiten gibt, nannte jedoch keine spezifischen Prioritäten im Hinblick auf den bevorstehenden internationalen Frauentag. Der virtuelle Protest könnte somit als Beitrag zur Überwindung der herrschenden Schweigespirale verstanden werden.
Quelle: Der Standard (https://t1p.de/t66ut)
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Text: Leon Latozke
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